Morgenglosse

Die Produktivität der Kaffeehausdiskussionen

Sitzen und debattieren: eine unterschätzte Beschäftigung
Sitzen und debattieren: eine unterschätzte BeschäftigungJeff Greenberg
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Nicht alles, dessen Effizienz sich nicht messen lässt, ist unnütz. Schon gar nicht während des Studiums.

Der Vorwurf, Studenten seien faul, ist so alt und so verbreitet wie der Frage „Nix zum Hackeln?“, wenn sie zu einer Demonstration aufrufen. Und freilich: Auch wenn im Kaffeehaus am Nebentisch stundenlang über Adorno und Wagner debattiert wird, ist man, selbst älter geworden und zur Effizienz im Alltag genötigt, versucht zu fragen: „Haben die nichts anderes zu tun?“

Doch zum einen sind die Andorno-Wagner-Runden ohnehin so selten geworden, dass man sie beinahe vermisst. (Passieren die jetzt online und ohne Spritzwein? Und macht das dann noch Spaß?) Zum anderen ist der Vorwurf der faulen Studenten im mehrfachen Sinne falsch.

Die Agenda Austria hat Daten der Eurostudent-Befragung ausgewertet. Demnach kommen Österreichs Hochschüler durchschnittlich auf einen Arbeitsaufwand von 44 Stunden in der Woche, wenn man Lehrveranstaltungen, individuelles Lernen und Erwerbstätigkeit zusammenrechnet. Das entspricht einem Vollzeitjob. Zugegeben: Die Ferienzeit ist in dieser Auswertung weggerechnet.

Doch auch abseits dessen: Nicht alles, bei dem Nutzen und Effizienz sich nicht ganz unmittelbar zeigen, ist auch tatsächlich unnütz. Ja, es wurde wahrscheinlich schon für alle Zeiten genug über Adorno und Wagner debattiert und gestritten. Aber nein, unsere Gesellschaft kann nie über zu viele Menschen verfügen, die gelernt haben, ihre Standpunkte ordentlich zu definieren, zu verbalisieren und zu vertreten. Und das noch so sozial verträglich, dass das Gegenüber weiterreden möchte, statt beleidigt aufzustehen.

Das gilt gleichermaßen für politisches Interesse. Demokratische Teilhabe setzt auch voraus, die zeitlichen Ressourcen zu haben, sich zu informieren und darüber zu reflektieren. Wenn es dafür nicht während des Studiums Raum gibt, wann dann? Und eigentlich: Wo, wenn nicht im Kaffeehaus.

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