Redebedarf

Beim Zuhören immer brav nicken

Sich Gehör verschaffen oder selbst ein guter Zuhörer sein?
Sich Gehör verschaffen oder selbst ein guter Zuhörer sein? IMAGO/Vuk Valcic
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100 Rätsel der Kommunikation. Folge 31. Zuhören allein, das genügt noch nicht. Man muss dem Gesprächspartner seine offenen Ohren auch extra signalisieren.

Woran merkt man eigentlich, dass einem jemand zuhört? Nein, dass mich die Augen des anderen anschauen, genügt noch nicht als eindeutiges Zeichen. Die Ohren könnten ja sonst wo sein. Wenn ich‘s mir aussuchen könnte, ich würde immer eine Frau als Zuhörerin nehmen. Denn dadurch erhöht sich die Chance, gehört zu werden. Klingt klischeehaft, ist aber leider wissenschaftlich erwiesen. Aber ich verstehe, dass man nur so tut, als ob. Schließlich kostet Zuhören Energie. Schauen ist ja auch anstrengender als ins Leere starren. Und wenn man die Augen in der Früh erst einmal aufgeschlagen hat, zieht man den Stecker auch erst abends wieder beim Einschlafen. Dazwischen ist alles Stand-By-Modus. Und wie wir spätestens seit der letzten Tariferhöhung wissen: Das kostet auch Energie. Die Evolution will es so. Schließlich konnte sie nicht damit rechnen, dass einmal andere Menschen unsere größten Feinde werden und nicht Raubkatzen, die unter dem nächsten Baum lauern. Außerdem könnte ja doch noch ein Anruf kommen heute. Oder was wirklich, wirklich Wichtiges. An den meisten Tagen allerdings geht man trotzdem müde ins Bett. Vom vielen Zuhören.

Stumme Zeichensprache

Computer und Fernseher sind schlauer als Menschen. Denn sie zeigen auch nach außen, dass sie überhaupt in Bereitschaft sind und dass sie gerade dabei Energie verbrauchen. Ein grünes LED-Lichtlein genügt. Das würde man sich für manche Menschen und Gesprächspartner auch wünschen. Bei meiner Freundin etwa ist erst ungefähr 30 Minuten nach dem Aufstehen und ein Kaffee später die Lampe an. Aber eben auch nur metaphorisch. Alle Schallwellen, die sich zuvor schon auf den Weg durch die Küche machen, absorbiert ungehört das Toastbrot. Ein kleines grünes Licht und man weiß, die Message, die man sendet, hat überhaupt eine Chance. Sonst kann man die Info gleich mit der nächsten Weltraumsonde ins All schicken. Auf die Botschaft für Außerirdische, die Voyager 1, gestartet 1977, dabei hatte, kam bis jetzt auch keine Antwort. Vielleicht sind Außerirdische aber einfach nur unhöflich und hören sich ohnehin jeden Tag diese goldene Schallplatte an, die die Raumsonde mit an Bord hatte. Die gute Nachricht aus dem Weltall, die bei vielen noch nicht angekommen ist, ist aber: Es gibt sie längst, diese kleinen Zeichen.

In Gesprächen lässt der Zuhörer damit verbal und nonverbal ein Lichtlein blinken sozusagen. Um zu zeigen: Ich bin hier, ich höre dich, red nur weiter. In der Linguistik hat man das „Minimal Response“ genannt. Sie versichern dem Sprecher oder gaukeln ihm zumindest vor, dass er gehört wird. Es sind diese „Mmmhhhs“ und „Ahas“. Diese kleinen Kopfbewegungen, die das Gespräch im Fluss halten. Besonders wichtig für Journalisten bei Interviews. Denn eines flüstert immer mit, vor allem bei dummen Fragen: Die Angst vor der kurzen Antwort. Deshalb wurden scheinbar auch die ORF-Reporter extra auf „Minimal Responses“ geschult. Ein Wissen, dass sie maximal ausnutzen. Denn so heftig nicken und bestätigend die Augen zudrücken sieht man im normalen Leben kaum jemand. Und eines steht auch fest, wenn Journalisten ihre aufgenommenen Interviews transkribieren: Jene, die Frauen geführt haben, geraten meistens länger. Weil sie eben nicht so sehr gegeizt haben mit „Mmmhs“, „Ahas“ und ähnlichen „Sprich weiter“-Signalen.

100 Rätsel der Kommunikation

Norbert Philipp bespricht in dieser Kolumne die dringendsten Fragen der digitalen und analogen Kommunikation: Muss man zu Chatbots höflich sein? Wie schreit und schweigt man eigentlich digital? Heißt „Sorry“ dasselbe wie „Es tut mir leid“?. Und warum verrät „Smoke on the Water“ als Klingelton, dass ich über 50 bin.

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