Gericht

Prozess um Ehrenmord in Wien: 36-Jähriger zu 20 Jahren Haft verurteilt

Der Mann erschoss den neuen Freund seiner Ex-Frau.
Der Mann erschoss den neuen Freund seiner Ex-Frau.APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Mann reiste aus Deutschland an und schoss mindestens sechsmal auf den neuen Freund seiner Ex-Frau. Die Geschworenen waren sich einige und sprachen von einem „Overkill“.

Ein 36-jähriger Mann ist am Freitag am Wiener Landesgericht wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte am 23. Februar 2022 in Wien-Favoriten den neuen Freund seiner Ehefrau mit sechs Schüssen aus einer Faustfeuerwaffe getötet. Der Schuldspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. „Sie haben den Mann geradezu in einem Overkill getötet“, stellte die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung fest. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Höchststrafe - lebenslange Haft - sei nur deshalb nicht verhängt worden, weil der Angeklagte bisher unbescholten und geständig war, sagte die Richterin. Der 36-Jährige hatte zugegeben, die Schüsse abgefeuert zu haben, sich jedoch in Richtung Totschlag verantwortet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Rudolf Mayer erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

„Ich habe einfach bam bam gemacht“

„Ich hab‘ einfach bam bam gemacht“, hatte der Schütze in seiner Einvernahme erklärt. Er habe keine Tötungsabsicht gehabt, sondern den neuen Freund seiner Frau dazu bringen wollen, angeblich auf dessen Handy abgespeicherte Sex-Videos mit seiner Frau zu löschen. Der Angeklagte behauptete, der Getötete habe ihn mit diesen Videos erpresst, indem er ihn wenige Stunden vor den Schüssen mit unterdrückter Nummer angerufen und aufgefordert habe, sich von der Frau fernzuhalten. Ansonsten werde er die Videos im Internet veröffentlichen.

Für die Existenz dieser Videos gibt es keinen Beleg, wie es seitens der Anklagebehörde während einer Verhandlungspause hieß. „Getrieben von seiner Eifersucht, weil sich seine Ehegattin von ihm getrennt hatte und eine neue Beziehung eingegangen war, reiste der Angeklagte unter Mitnahme einer Faustfeuerwaffe nach Wien, um das Opfer aufzusuchen und zu töten“, wurde in der Anklageschrift zum Motiv ausgeführt.

„Ich hatte keine andere Wahl“

Er habe einfach etwas unternehmen müssen, gab der Angeklagte vor Gericht zu Protokoll: „Ich hatte keine andere Wahl. Ich wollte alles korrigieren, was meine Frau falsch gemacht hat.“ Der neue Freund habe ihm das Mobiltelefon aber nicht gegeben und damit das Löschen der Dateien nicht ermöglicht. Stattdessen sei der Mann zum Fenster gelaufen, habe dieses aufgerissen und „Hilfe, Polizei!“ gerufen. Da sei er „in Panik“ geraten und habe mehrfach auf den Mann geschossen: „Ich wollte das nicht. Ich bin in Wut und Verzweiflung gefallen. Das ist sehr schnell passiert, die Kugeln waren sehr schnell.“

„Dass er geschossen hat, steht fest“, hielt Verteidiger Rudolf Mayer fest. Der 36 Jahre alte Schütze habe sich „typisch für jemand, der durchdreht“ verhalten: „Das ist ein klassischer Fall von Wut und Verzweiflung, wo jemand etwas macht, der noch nie etwas Böses in seinem Leben gemacht hat. Das ist wirklich ein Totschlag, wie er im Lehrbuch steht. Sein Mandant sei „kein kaltblütiger Mörder“, meinte Mayer.

Zeuge war bei Tat dabei

Genau davon ging allerdings die Staatsanwaltschaft aus und überzeugte damit am Ende auch die Geschworenen. Der aus der Türkei stammende Angeklagte hatte sich am 23. Februar 2022 zur Wohnung des 39-Jährigen in der Troststraße begeben, nachdem er am selben Tag in einer mehrstündigen Autofahrt aus Deutschland angereist war. Als der Mann auf sein Klopfen hin öffnete, soll der Angeklagte ihn sogleich zu Boden gestoßen haben. In der Wohnung befand sich zufälligerweise auch ein enger Freund des Opfers, ein 25 Jahre alter Mann.

Eindrücklich schilderte dieser Zeuge unter Wahrheitspflicht dem Schwurgericht, wie der 39-Jährige ums Leben gebracht wurde. „Ich war bei ihm, weil wir wie jeden Mittwoch eine Serie schauen wollten“, erinnerte sich der 25 Jahre alte Mann. Knapp vor 19.00 Uhr sei der Angeklagte aufgetaucht und habe dem 39-Jährigen zunächst die Zähne ausgeschlagen. Dann habe er den Wohnungsbesitzer mit einer Pistole bedroht, trotzdem habe dieser die Herausgabe seines Mobiltelefons verweigert.

„Dann hat er die Waffe auf mich gerichtet“

„Dann hat der Mann die Waffe auf mich gerichtet. Er hat meinen Ausweis verlangt“, berichtete der 25-Jährige. Er sei diesem Befehl nachgekommen. Das habe der 39-Jährige genutzt, um zum Fenster zu laufen und um Hilfe zu rufen: „Da ist er (der Schütze, Anm.) hin, hat ihn weggezogen und gesagt, dass er das nicht hätte machen sollen. Er hat den Vorhang zugezogen und geschossen.“ Er sei währenddessen eineinhalb Meter daneben am Boden gesessen und habe seinem Freund nicht helfen können: „Ich konnte nichts machen.“ Der Schütze habe dann noch ein Mal die Waffe auf ihn gerichtet und ihm eingeschärft, ihn nicht zu verraten: „Sonst wird er mich finden und umbringen.“

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