Tanzfestival

Lucinda Childs: Sie tanzt schon seit 60 Sommern

Lucinda Childs zu Besuch in Wien.
Lucinda Childs zu Besuch in Wien.Jana Madzigon
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Aus New York kam die Ikone des postmodernen Tanzes zu Impulstanz: „Wir haben keine Message, denn wir predigen nicht.“

Lucinda Childs ist eine Doyenne des post­modernen Tanzes. Und sie ist so etwas wie seine Archivarin. Die 83-jährige New Yorkerin bewahrt ihre Arbeiten auf, bringt sie immer wieder weltweit auf die Bühnen. Mit „Concerto“ wurde 2022 erstmals eines ihrer Stücke auch an der Wiener Staatsoper gezeigt. Das sei wichtig, sagt Childs im Gespräch mit der „Presse“. Ihre Werke könnten sonst verloren gehen, am Ende gar vergessen werden. Denn nichts ist so flüchtig wie der Tanz. Childs hat alles aufgeschrieben, Filme und Fotos gemacht. Damit ihre Stücke auch nach ihrem Tod nicht in Vergessenheit geraten, sei sie dabei, sie so zu konservieren, dass sie auch von anderen einstudiert werden können.

Wenn Childs – wie derzeit beim Impulstanz-Festival – eine ihrer neueren Kreationen zeigt, kann es gut sein, dass man sich wie auf einer Zeitreise fühlt. Im Falle von „Relative Calm“ etwa, ihrer neuesten Kooperation mit Robert Wilson, war es eine Reise in die 1980er-Jahre. Am Sonntag folgt nun der zweiteilige Abend „Distant Figure“. Eine Uraufführung inklusive. Wieder mit Musik von Philip Glass, den Childs im Rahmen ihrer ersten Zusammenarbeit mit Wilson 1976 für die Uraufführung der Oper „Einstein on the Beach“ kennen und schätzen lernte.

„Queen of Minimalism“

Ursprünglich hat sie sich nicht so sehr um Musik gekümmert. „Ich kam aus einer experimentellen Gruppe und bevorzugte alternative Auftrittsorte wie Hausdächer oder ­Kirchen. Aber als Wilson mit Philip Glass ankam – das hat alles verändert“, sagt Childs, die als „Queen of Minimalism“ seither immer wieder mit dem Komponisten zusammengearbeitet hat. Wenige Jahre nach dem ersten Zusammentreffen entstand 1979 „Dance“, eine ihrer erfolgreichsten Arbeiten. Als Glass nun voriges Jahr seinen 85er feierte, war Childs eingeladen, zu einer seiner Klavieretüden ein Stück zu choreografieren: „4 Etudes by Philip Glass“ wird am Sonntag gezeigt.

Childs, die ihre Laufbahn 1963 beim legendären New Yorker Judson Dance Theater begonnen und zehn Jahre später ihre eigene Company gegründet hat, wird auch am Sonntag wieder selbst auf der Bühne stehen, in einem zwanzigminütigen Solo zu einem Text von Susan Sontag: „Sie hat sich darin mit einem Tagebucheintrag von Friedrich Nietzsche auseinandergesetzt.“ Es geht um einen Mann, der auf der Straße zusammenbricht.

Ein Solo mit Susan Sontag

„Susan Sontags Text ist sehr ungewöhnlich. Und wunderschön“, findet Childs. Sie hat die Schriftstellerin auch persönlich getroffen. „Ich habe ihr gesagt: Das wäre ein super Theaterstück. Ich mache ja auch gern Theater.“ Geworden ist es ein Solo, das 2020 uraufgeführt und seither nur wenige Male gezeigt wurde – in New York, Paris, Italien. Ab Sonntag ist „Description (of a Description)“ nun in Wien zu erleben.

Mit ihrer langen Karriere hat sich Childs einen Kindheitstraum erfüllt. „Ich wollte schon als kleines Mädchen Schauspielerin werden. Dann habe ich Merce Cunningham gesehen und habe nur noch getanzt, getanzt, getanzt.“ Sie liebt es, zu performen: „Man kann mit dem Körper etwas ausdrücken, was man verbal nicht sagen kann. Es ist sehr persönlich.“ Unter der Pandemie habe gerade diese Kunstform sehr gelitten. „Die Tanz­szene erholt sich nur langsam. Es dauert, das Publikum zurück in die Theater zu holen.“ Als alle Veranstaltungen abgesagt waren und direkter Kontakt schwer möglich war, hat sie sich auch einiges im Internet angesehen. Zufrieden war sie damit nicht: „Eine Performance muss vor Publikum stattfinden. Sie muss lebendig sein. Live. Dreidimensional.“

„Trump war nicht hilfreich“

Mehr als 50 Werke hat Childs in ihrer langen Karriere bereits geschaffen, ohne eine Agenda zu verfolgen. Es geht um Ästhetik. Um puren Tanz. „Wir haben keine Message, denn wir predigen nicht. Wir sind nicht politisch, sondern wir drücken unsere Freude über diese Kunstform aus, die wir beschützen und teilen wollen.“ Auch wenn es in ihrer Heimat, den USA, genug Freiheit für die Kunst gebe, sei es doch sehr schwierig, genügend Geld aufzubringen. „Vor allem für die performativen Künste ist es schwer. Donald Trump war nicht hilfreich.“

Seit 1992 beschäftigt sich Childs auch mit Opern, als Choreografin (etwa für Luc Bondys Inszenierung der „Salome“ bei den Salzburger Festspielen), zuletzt auch als Regisseurin. Für nächstes Jahr habe sie sich ein Projekt in Nizza vorgenommen. Der Komponist? Natürlich Philip Glass. Dann ist Childs 84 Jahre alt. Ob sie sich nicht zur Ruhe setzen will? „Ich bin privilegiert. Gesund und glücklich. Bis auf den Jetlag mag ich auch das Reisen. Also nein.“

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