Junge Forschung

Bienen haben keine Antikörper

An der Uni Graz war Matti Leponiemi der Erste, der eine Ameisenzucht installierte.
An der Uni Graz war Matti Leponiemi der Erste, der eine Ameisenzucht installierte.Helmut Lunghammer
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Der Evolutionsbiologe Matti Leponiemi hielt Ameisen an der Uni Graz und Bienen in Finnland. Er will verstehen, wie deren Immunsystem auf Umweltstress reagiert.

Der Van war schon gepackt, die Wohnung geräumt. Matti Leponiemi siedelte im Sommer zurück nach ­Helsinki. „Die Presse“ erreichte den Evolutionsbiologen zwei Tage vor der Abfahrt. Vier Jahre lebte Leponiemi in Österreich, seit er 2019 für die Forschung an die Uni Graz kam. Den Ausschlag für den Umzug gab die Gruppenleiterin Dalial Freitak, bei der Leponiemi in Helsinki seine Masterarbeit geschrieben hatte und die den Ruf nach Graz bekam. „Sie fragte mich, ob ich auch nach Österreich ziehen will“, erzählt der Finne. Die Deutschkurse hat er zu Beginn fleißig besucht, im Alltagsleben in Graz war die Sprache kein Problem. Aber beim Gespräch über die Wissenschaft ist Englisch die Wahl.

Ameisen reagieren auf Glyphosat

Für soziale Insekten wie Bienen und Ameisen interessiert sich Leponiemi schon lang. Bereits 2015 machte er ein Praktikum an der Zoologischen Station Tvärminne. Dieses idyllische Labor an der Küste des Baltischen Meeres gehört zur Uni Helsinki. Anfangs im Team „Antzz“ sammelte er Erfahrungen mit der Ameisenforschung, später im Team „Beez“ mit Honigbienen – sowohl in der Feldforschung als auch im Labor mit modernen Technologien. „Meine Masterarbeit in Helsinki war schon über das Immunsystem von Honigbienen“, sagt Leponiemi. Da Insekten keine Antikörper besitzen, ist die Frage, durch welche anderen Immunzellen die Abwehr von Krankheitserregern abläuft.

„Wir nennen es Immune-Priming: Ein Insekt, das einem Krankheitserreger ausgesetzt ist, wird später gegen den gleichen Erreger resistenter sein“, sagt Leponiemi. Bestimmte Zellen in der Hämolymphe (so heißt das Blut der Insekten) reagieren auf die pathogenen Eindringlinge und bauen ein immunologisches Gedächtnis auf. In seiner Doktorarbeit verglich Leponiemi die Reaktion von Ameisen und Bienen auf Umweltstress. „Das können Krankheitserreger sein, aber auch Pestizide und Umweltgifte“, sagt der Finne. Er entdeckte, dass das Pflanzenschutzmittel Glyphosat auf Ameisen keine immunschwächende Wirkung hat. „Für Honigbienen wurde gezeigt, dass Glyphosat dem Immunsystem schadet. Das konnten wir für diese Ameisenart nicht nachweisen.“ Doch der chronische Kontakt mit dem Pestizid beeinflusste die Nachkommen und die Darmbakterien der Ameisen, wie Leponiemi im Journal Ecological Entomology publizierte.

Der Biologe war der Erste, der an der Uni Graz eine Ameisenzucht installierte. Mithilfe der Uni Regensburg zog er in einigen kleinen Plastikschälchen die tropische Art Cardiocondyla obscurior heran. Als Futter bekommen diese Insekten Honig, Fruchtfliegen und Kakerlaken. „Mit Ameisen hat man es in der Wissenschaft leichter, weil man sie das ganze Jahr untersuchen kann. Die Honigbienen ruhen im Winter“, erzählt Leponiemi.

48 Bienenstöcke, deren Daten in die Dissertation einflossen, standen im Südwesten Finnlands bei kommerziellen Bienenzüchtern. „Eine meiner Hauptfragen ist, wie staatenbildende Insekten Immunresistenz über Generationen weitergeben: Wenn eine resistente Bienenkönigin Eier legt, sind diese nach dem Schlüpfen auch immun“, erklärt Leponiemi.

Die Analysen der Genetik brachten nicht den gewünschten Erfolg: Die molekularen Abläufe dieser generationsübergreifenden Immunität sind bisher noch nicht geklärt. „Wahrscheinlich sind es multiple Mechanismen, die hier zusammenwirken.“ Die Ergebnisse helfen jedenfalls, um auch die weltweit erste Impfung für Insekten, die von seiner Doktoratsbetreuerin Dalial Freitak entwickelt wurde, zu optimieren. Eine solche Schluckimpfung der Honigbienen-Königin schützt das ganze Volk gegen Faulbrut.

Roggenbrot und Sonntagseinkauf

Nach dem Ende seines PhD-Studiums lebt Leponiemi nun wieder in Finnland, auf der Suche nach einer neuen Stelle in der Forschung. „Das günstige Bier aus Österreich wird mir abgehen. Aber ich freue mich schon darauf, das gute finnische Roggenbrot zum Frühstück zu essen und auch an Sonntagen zum Supermarkt gehen zu können.“

»Reaktionen auf Umweltstress können Krankheitserreger sein, aber auch Pestizide und Umweltgifte.«

Zur Person

Matti Leponiemi (38) wuchs in der Region um Helsinki auf und studierte an der Uni Helsinki Ökologie und Evolutionsbiologie. Er fokussierte bald auf soziale Insekten wie Bienen und Ameisen. 2019 zog er für sein Doktoratsstudium nach Graz und schloss dieses kürzlich am Institut für Biologie der Uni Graz ab.

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