Nichtbinarität meint sehr vieles auf einmal.
Serie: Gefühlssache

Die nicht-binäre Zukunft für alle lässt auf sich warten

Mann, Frau, Bub, Mädchen. Die deutsche Sprache, Kinderbücher oder öffentliche Toiletten kennen oft nur diese Optionen. Wer nicht-binär ist, tut sich im System der zwei Geschlechter schwer. Doch Selbstbewusstsein und Repräsentation nicht-binärer Menschen nehmen zu. Was nicht-binär bedeutet und woran es noch fehlt.

Als Kind verstand sich Lydia Meyer hauptsächlich als das: ein Kind. Erst Schule, der Kontakt mit anderen Kindern, von außen herangetragene Erwartungen zeigten, sich als Kind allein zu verstehen war nicht ausreichend, man musste auch noch regelmäßig deklarieren, ob man nun ein Junge oder ein Mädchen sei. Von Anfang an war Meyer klar, das Bedürfnis, keine Kleider anziehen zu wollen, diesem oder jenem Stereotyp nicht entsprechen zu wollen, war in diesem Fall eben nicht das Aufbegehren eines Mädchens gegen veraltete Geschlechterrollen, sondern das Aufbegehren eines Kindes, für das es im Zweigeschlechtersystem keinen Platz gibt. Lydia Meyer ist nicht-binär. In einer Welt, in der vom Turnunterricht über den Toilettenbesuch bis hin zur Farbe des Spielzeugs alles in „männlich“ und „weiblich“ unterteilt ist, sorgt das nicht nur teilweise für Unverständnis, sondern auch für jede Menge Alltagsprobleme.

2020 schrieb Meyer, ansonsten Autor*in und Formatentwickler*in, ein Aufklärungsbuch für Jugendliche („Sex und so: Ein Aufklärungsbuch für alle“), das auch gleich Anlassfall für ein zweites Buchprojekt wurde: „In der Nachbesprechung von diesem Buch ist mir aufgefallen, wie stark ich als cis Frau gelesen wurde, und wie sehr ich über diese Darstellung meiner Person ein großes Unwohlsein empfunden habe.“ Das Unwohlsein war schließlich so groß, dass Meyer sich entschloss, gleich noch ein Buch zu schreiben, eines, das Nichtbinarität erklärt, und zwar „verständlich und niederschwellig“.

Trans und nicht-binär

Dass so viele Menschen Nichtbinarität nicht verstünden, hänge damit zusammen, dass nicht-binär eben vieles auf einmal meine, erklärt Meyer in „Die Zukunft ist nicht binär“. Wie trans ist nicht-binär als Überbegriff zu verstehen, der sich gerade durch seine Offenheit und Vielseitigkeit auszeichnet. Er umfasst etwa Begrifflichkeiten wie genderfluid, also mit zeitweise veränderter oder wechselnder Geschlechtsidentität, agender, also keinem Geschlecht zugehörig, pan- oder polygender, also allen oder mehreren Geschlechtern zugehörig. Auch Definitionen wie genderqueer, also Geschlechterkategorien hinterfragend, oder gender-nonconforming, also Verhaltensweisen, die dem zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen, sind Begriffe, die in ähnlicher Weise oder parallel verwendet werden.

Allen Begriffen gemein ist: Wer nicht-binär ist, tut sich schwer in einer Realität, die traditionellerweise nur zwei Geschlechter kennt. „Versteht man trans als das Abweichen von dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht, dann ist auch Nicht-binarität eine Spielart von trans“, erklärt Meyer im Gespräch mit der „Presse“. Dementsprechend gibt es auch keine einheitliche sprachliche Lösung, welche Pronomen nicht-binäre Menschen bevorzugen. Und natürlich gilt: Nichtbinarität impliziert nicht zwingend ein androgynes Aussehen. Der Geschlechtsausdruck, also wie Geschlechtsidentität nach außen getragen oder gelebt wird, kennt bei nicht-binären, wie bei allen Menschen, viele Facetten.

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