Oper im Lungau

Mozart in der Metallwerkstatt

Unternehmer Stefan Ritzer (l.) und Bariton Rafael Fingerlos hatten da eine Idee . . .
Unternehmer Stefan Ritzer (l.) und Bariton Rafael Fingerlos hatten da eine Idee . . .Clemens Fabry
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Seit 20 Jahren öffnet Stefan Ritzer seine Schlosserei für Kultur. Nun macht er sich mit Bariton Rafael Fingerlos ans Meisterstück: eine Oper.

Mailand, Buenos Aires – und Mauterndorf. Die (unvollständige) Liste der Orte, an denen der Bariton Rafael Fingerlos aufgetreten ist, ist bald um einen ungewöhnlichen Platz reicher: eine Werkshalle in einer 1600-Einwohner-Gemeinde in Salzburg. Die Oper Lungau.

Ab Mittwoch singt Fingerlos in der Schlosserei des Metallunternehmers Stefan Ritzer in Steindorf bei Mauterndorf den Guglielmo in Mozarts „Così fan tutte“, die er selbst inszeniert hat. Eine wahrlich ungewöhnliche Produktion, nicht nur angesichts der Location. „Was Stefan und mich verbindet, ist, dass wir den Satz ‚Das kann man nicht machen‘ nicht mögen“, sagt Fingerlos.

Wenn man fragt, wie es dazu kam, dass in einer Werkshalle tief in der österreichischen Provinz eine Oper aufgeführt wird, die keine Amateurproduktion ist, sondern höchsten künstlerischen Ansprüchen genügen soll, holt Stefan Ritzer ziemlich weit aus – und fängt bei den Ursprüngen seines Unternehmens an: Da geht es unter anderem um einen Freund, der eine Pfuscherwerkstatt hatte, einen tragischen Todesfall und den Vater, der im Salzburger Anzug beim Bankdirektor für den Sohn bürgte, Fazit: Ritzer startete als Unternehmer durch. Und begann vor 20 Jahren, seine Fühler auch Richtung Kunst auszustrecken.

„Nicht ohne meine Mitarbeiter“

Er öffnete seine Werkstatt zunächst für Lesungen, dann für Konzerte und Theaterstücke, bei denen auch die Mitarbeiter aktiv dabei waren: „Biedermann und die Brandstifter“, Gogols „Revisor“, Dürrenmatts „Panne“. „Die Hauptrolle hatte da ein Mitarbeiter, der war grandios.“ Beim aktuellen Opernprojekt sind die Mitarbeiter ebenfalls involviert, wenngleich eher abseits der Bühne: Sie fertigten nach einem Entwurf von Ritzers Bruder Johannes das Bühnenbild, aus Schweißtischen, und kümmern sich um viele der Dinge hinter der Bühne. „Ohne meine Mitarbeiter gibt‘s das nicht.“

Vieles passiert da in der Arbeitszeit – unter anderem das Ausräumen der Halle, das allein schon anderthalb Tage in Anspruch nimmt. In den insgesamt drei Wochen, während deren sich die Firma in Mauterndorf in ein Opernhaus verwandelt, steht Ritzers ursprüngliches Geschäft – die Produktion von Anlagen für erneuerbare Energie – teilweise still. Das ist ein Puzzlestein seiner Firmenphilosophie: Der Mensch steht im Vordergrund, Eigenverantwortung und Miteinander werden großgeschrieben. Ein Zugang, der offenbar funktioniert. In Zeiten, da alle über Fachkräftemangel stöhnen, sagt Ritzer zum Thema Personal: „Uns geht‘s unglaublich gut.“

Dass es eine Mozart-Oper sein sollte, war ziemlich schnell klar, immerhin gilt Fingerlos als Mozart-Spezialist. „Così fan tutte“ wurde es teils aus praktischen Gründen – relativ kleine Besetzung, kein Chor –, aber auch aus inhaltlichen: „Das ist so eine unmittelbare Geschichte, jeder hat diese emotionalen Höhen und Tiefen erlebt – und ich glaube, dass das eine Oper ist, mit der man Menschen, die mit dieser Kunstform nichts zu tun haben, sehr einfach abholen kann.“ Das will man nämlich (auch): „Niederschwellige Kultur auf höchstem Niveau“, nennt es Ritzer. „Wir waren in drei Wochen ausverkauft – und mehr als 50 Prozent der Menschen waren noch nie in einer Oper.“

„Die CosÌ“ wird in Mauterndorf freilich auch Kenner ein bisschen überraschen. Fingerlos hat sich nämlich einen Erzähler ausgedacht, der die ganze Geschichte begleitet – und auch das etwas wenig zeitgemäße Frauenbild, das Librettist Lorenzo Da Ponte da vermittelt, kontextualisiert. Ganz abgesehen vom Werkstattambiente, das unter anderem mit Videos kombiniert wird. „Trotz dieser Werkstattromantik haben wir uns gefragt, wie wir das Fantastische reinbringen“, sagt Stefan Ritzer. „Weil das Lungauer Publikum kennt die Werkstatt – diese Leute erwarten sich einen visuellen Eindruck, der sie umhaut.“

„So viel Talent im Lungau“

Mit der Produktion holen Spitzer und Fingerlos nicht nur die Lungauer in die Oper – sondern, neben internationalen Profis wie dem Schauspieler Michael Dangl, der Sopranistin Eleanor Lyons und der Rheinischen Philharmonie, auch Menschen aus der Kulturszene, zumindest temporär, wieder in den Lungau. Rafael Fingerlos, geboren in Mariapfarr, ist selbst einer davon. „Wir sind draufgekommen, dass so viel Talent, so viel Pouvoir im Lungau ist“, sagt er. „Das ist ein Projekt, das mich heimbringt, aber es bringt so viele begabte Menschen in ihre Heimat zurück.“

Dass das ein besonderes Projekt ist, hat sich schon vor der ersten Aufführung herumgesprochen: Fingerlos bekam jetzt schon Anfragen, wann denn das Vorsingen für das nächste Jahr stattfinde.

Auf einen Blick

Kultur. Unter dem Titel „Kultur in der Werkstatt“ veranstaltet der Metallunternehmer Stefan Ritzer in Mauterndorf regelmäßig Kulturveranstaltungen. Das bisher größte Projekt sprengt alle bisherigen Dimensionen: eine Produktion von Mozarts „Così van tutte“, konzipiert gemeinsam mit Bariton Rafael Fingerlos, selbst Lungauer. Alle Infos unter www.operlungau.com

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