Morgenglosse

Schluss mit der Straßburg-Pendelei!

Das Europaparlament dürfte noch mehr Bürofläche in Straßburg anmieten – und zwar ausgerechnet vom französischen Staat.

Das futuristische „Osmose“-Gebäude neben dem Straßburger Europaparlament zählt zu den „Think big“-Projekten des renommierten Architektenbüros „ArtBuild“. Think big: Das war wohl auch der Gedanke jener – vorwiegend konservativen wie liberalen – Abgeordneten, die im Haushaltsausschuss für die Anmietung von 15.000 Quadratmetern zusätzlicher Arbeitsfläche in ebendiesem Bürokomplex stimmten. Die Begründung: mehr Platzbedarf. Der Mietvertrag soll 99 Jahre laufen, mit Kosten von 700.000 Euro pro Jahr. Reinigung, Sicherheitspersonal, neue Möbel und IT-Equipment exklusive.

200 Millionen Euro, lautet eine grobe Schätzung der Sozialdemokraten, dürfte das Projekt insgesamt verschlingen. Europäisches Steuergeld, wohlgemerkt. Besonders pikant an dem Vorhaben: Der französische Staat tritt als Vermieter ein – vorausgesetzt, der Vertrag kommt tatsächlich zustande. Denn kaufen will die Regierung in Paris das Gebäude um knapp 54 Millionen Euro nur, wenn sie tatsächlich an das Europaparlament vermieten und somit den umstrittenen Sitz in Straßburg für lange Jahre sichern kann.

Wanderzirkus trotz Klimakrise

Die Kritik ist enorm. Zu recht, sprechen doch nicht nur die horrenden Kosten, die der Wanderzirkus alljährlich verursacht, für die längst fällige komplette Verlegung der parlamentarischen Arbeit nach Brüssel. In Zeiten der Klimakrise mutet es völlig absurd an, dass Monat für Monat Hunderte Abgeordnete, deren Mitarbeiter sowie Verwaltungsangestellte und Hunderte Kilo an Akten für dreieinhalb Tage in das Städtchen im Elsass pendeln.

Straßburg ist als offizieller Sitz und Ort der Plenartagungen in den EU-Verträgen festgelegt, während in Brüssel die Ausschusssitzungen stattfinden. Einer Änderung dieser Modalitäten müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen: Doch Frankreich denkt nicht daran, den prestigeträchtigen Sitz der Volksvertretung aufzugeben – zumal die Plenarwochen viel Geld in die Kassen von Hoteliers und Gastronomie in der Umgebung spülen. Sollte der „Osmose“-Deal tatsächlich zustande kommen, wäre dies ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Schuld daran ist aber nicht die oft zu Unrecht verurteilte „EU-Bürokratie“. Es sind die Allmachtsfantasien einzelner Mitgliedstaaten.

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