Junge Forschung

Die brisanten Seiten des EU-Rechts

Die Europarechtlerin Ranjana Andrea Achleitner arbeitet zur Regulierung von Online-Plattformen und digitalen Märkten in der EU.
Die Europarechtlerin Ranjana Andrea Achleitner arbeitet zur Regulierung von Online-Plattformen und digitalen Märkten in der EU.Hermann Wakolbinger
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Politikwissenschaft, Recht, Romanistik – Ranjana Andrea Achleitner ist von allen drei Fächern geprägt. Der rote Faden dieser Laufbahn ist Europa.

Heute ist Ranjana Andrea Achleitner als Rechtswissenschaftlerin tätig. Das war nicht immer so geplant: Ihr Erststudium war Romanistik – mit Französisch als Hauptsprache sowie Italienisch. Eine Vorlesung aus französischer Kulturkunde war auch der Zündfunke, der das Interesse an ihrem nächsten Studium entfachte: „Wir hatten damals eine tolle Professorin, die über die Streikkultur Frankreichs sprach und wahrscheinlich gar nicht weiß, welche Wirkung sie hatte.“ 

So entstand der Wunsch nach mehr politischen Inhalten. Er bewog Achleitner, in Wien Politikwissenschaft zu studieren – zusätzlich zu Romanistik. Sie legte im neuen Studium den Schwerpunkt auf Europapolitik und Internationale Politik. „Damals hat der rote Faden begonnen“, sagt die Forscherin. Denn auch in ihrem dritten Studium, dem der Rechtswissenschaften, galt ihr Interesse vor allem Europathemen und dem EU-Recht.

Rasch auf Aktuelles reagieren

Nach dem Jus-Diplomstudium an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) widmete sich Achleitner in ihrer Doktoratszeit vor allem den Schnittstellen zwischen Digitalisierung und Recht. In ihrer Dissertation ging es etwa um sogenanntes Geoblocking – also um Sperren, die man im Internet zum Beispiel beim Online-Shopping oder Streamen erlebt. Während sie die Arbeit schrieb, trat die Geoblocking-Verordnung der EU in Kraft. „Das ist ein Problem, das alle Digitalierungsforscher betrifft: Das Thema entwickelt sich noch während des Schreibprozesses.“

Derzeit ist Achleitner als Postdoc-Universitätsassistentin am Institut für Europarecht der JKU beschäftigt. Sie empfindet Ihr Arbeitsverhältnis als genau passend, gerade weil es weit entfernt von einem Nine-to-Five-Job sei. „Ich brauche den Freiraum für die kreative Arbeit, die Wissenschaft ja auch ist. Jeder Aufsatz ist eine kreative Tätigkeit. Man hat manchmal ein weißes Blatt vor sich und sitzt davor – lang.“ Es brauche eine neue Idee und das richtige Konzept. „Wenn ich über ein Thema im Digitalisierungsbereich schreibe, gibt es viele andere, die auch darüber schreiben.“ Ein wenig getaktet sei ihr freier Tagesablauf dennoch, da sie auch in der Lehre eingesetzt werde, erzählt die Forscherin. Die Themenvielfalt etwa von Bachelorarbeiten, die sie betreue, bringe sie auch selbst immer wieder auf neue Gedanken.

Meinungsfreiheit versus Zensur

Parallel dazu arbeitet die Europarechtlerin zur Regulierung von Online-Plattformen und digitalen Märkten in der EU. Als Juristin geht es ihr dabei um die Auswirkungen von Rechtsakten wie etwa dem Digital Services Act (DSA). Dieser werde meistens mit dem Thema „Hass im Netz“ in Verbindung gebracht. „Er macht aber viel mehr. Er reguliert, wie Online-Plattformen mit Inhalten umzugehen haben.“ Im Fokus stünden etwa Inhalte, die nicht illegal, aber schädlich seien. Online-Plattformen müssten in solchen Fällen jeweils das Argument der Desinformation gegen das Prinzip der Meinungsfreiheit abwiegen. Die Löschung von Inhalten werde von Kritikern oft als Zensur gesehen. Achleitner: „Das sind nicht rein juristische Fragen. All diese Dinge müssten eigentlich interdisziplinär zu bearbeiten sind, und ich denke auch, dass die Forschung in diese Richtung gehen wird.“ Um einen ganz anderen Bereich wird es in Achleitners Habilitation gehen. Sie soll dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit im EU-Recht gewidmet sein.

»Jeder Aufsatz ist eine kreative Tätigkeit. Man hat manchmal ein weißes Blatt vor sich und sitzt davor – lang.«

Um Verhältnismäßigkeit geht es in gewisser Weise auch im Privatleben der Juristin. Über die Jahre werde ihr und ihrem ebenfalls in der Forschung tätigen Partner das Verhältnis zwischen Alltagsleben und Auszeiten immer wichtiger, sagt sie. „Wir gönnen uns oft spontan Kurzausflüge, entscheiden zum Beispiel am Freitagnachmittag, das Wochenende in Grado, Venedig oder auch an irgendeinem schönen Ort in Österreich zu verbringen.“ Auch mit den Malediven habe man sich schon einmal belohnt – nur für eine Woche und trotz Unkenrufen, das zahle sich für so kurze Zeit nicht aus. „Wenn man immer wartet, bis ein Termin vorbei ist oder ein Projekt abgeschlossen ist, passt es eigentlich nie.“

Zur Person

Ranjana Andrea Achleitner (38) arbeitet als Postdoc am Institut für Europarecht der Uni Linz (JKU). Sie studierte Politikwissenschaft und Rechtswissenschaften an den Unis Wien und Linz. Für ihre Forschung erhielt sie den Award of Excellence des Wissenschaftsministeriums sowie den JKU Young Researchers‘ Award. 

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

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