Unterwegs

Ruhe und Frieden für zwischendurch

Wer zwischendurch etwas Ruhe und Frieden sucht – nun, es gibt Orte, die eigens dafür gebaut wurden.

Natürlich, darunter kann man auch Kirchen verstehen. In Kirchen ist es kühl und in aller Regel ruhig und friedlich. Aber nicht betend fühle ich mich darin immer etwas fehl am Platz. Und beobachtet, in Tat und Gedanken. Da holt mich meine Vergangenheit in einer Ordensschule ein. Kirchen sind für mich Orte des schlechten Gewissens und der äußerst vagen Hoffnung auf Vergebung. Da ist man auf dem Friedhof schon weiter.

Dies sind die Plätze, an denen man inmitten des großstädtischen Getümmels Trost und Frieden finden kann, meist auch Abkühlung, weil der oft üppige Baumbestand wie eine Klimaanlage wirkt. Es gibt niemanden, den man oder der einen stören könnte, denn der Großteil der An- bzw. Verwesenden hat sich’s unter der Erde bequem gemacht. Konfession, Gewissen, Herkunft, es spielt alles keine Rolle mehr. Freilich staunt man, wie der Mensch noch über den Tod hinaus etwas darstellen will, mit Grabes­prunkbauten. Manche Geister bewohnen Paläste, andere nur Schrebergärten oder Garçonnièren. Der Zentralfriedhof ist der imposanteste des Landes, er spiegelt imperiale Größe wider und verblichenes Kulturschaffen. Ich liebe das Grabmal des großen Manfred Deix (1949–2016), bewacht von einer Katze mit Tschick im Mundwinkel und Krone auf. Neben dem Witz hat es Würde; etwas, was in dieser merkwürdigen, rast- und ziellosen Smartphone-Gesellschaft gar etwas kurz kommt. Eine Stunde auf dem Friedhof spazieren, über Inschriften sinnieren, verweilen, und man tritt anders wieder heraus. Schon weil’s einen unterscheidet von denen, die dortbleiben.

timo.voelker@diepresse.com

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