Worte der Woche

Vertikale Landwirtschaft

Auch wenn das vielerorts behauptet wird: Vertikale Landwirtschaft ist nicht notwendigerweise eine umweltfreundlichere Art der Nahrungsmittelproduktion. 

Die Produktion von Nahrungsmitteln ist unvermeidlich ein Eingriff in die Natur: Landwirtschaft benötigt Platz, Energie, Düngung und Pflanzenschutz, belastet die Böden und reduziert die Biodiversität; überdies müssen die Produkte vom Feld zu den Konsumenten transportiert werden. Seit 15 Jahren gilt urbanes Vertical Farming als mögliche Alternative – eine hochtechnisierte und -automatisierte Produktion in Hochhäusern und Regalen mit definierten Wachstumsbedingungen und optimiertem Wasser- und Nährstoffkreislauf. Abgesondert von der Umgebung, entfällt zudem der Bedarf für Pflanzenschutzmitteln. Das Wiener Vertical Farm Institute hat berechnet, dass man 14.000 Gebäude in der Größe des Uniqa-Towers benötigen würde, um Wien zu ernähren. Im Gegenzug würde Ackerland im Ausmaß des Burgenlands nicht mehr benötigt und könnte renaturiert werden.

Seit es energiesparende LED-Leuchten gibt, werden solche Anlagen errichtet – etwa in Holland, Japan oder Dubai. Ein großer Boom ist aber bisher ausgeblieben. Der Hauptgrund liegt in den hohen Investitionen sowie dem hohen Energiebedarf für Beleuchtung und Klimatisierung. Forschende um Michael Parkes (Instituto Superior Técnico, Uni Lisboa) haben die vertikale Landwirtschaft nun am Beispiel von Gemüsekohl einer detaillierten Lebenszyklusanalyse unterzogen. Demnach kann die Umweltbelastung sehr unterschiedlich sein (von 3,3 bis 63 kg CO2 pro kg Gemüse) – wenn man es falsch macht, ist Indoor-Farming also sehr umweltbelastend. Der gewichtigste Faktor dabei ist der Energieverbrauch, gefolgt von der Produktion von Jungpflanzen in Anzuchtschalen (Scientific Reports, 13. 7.).

Ein weiterer Grund, warum vertikale Landwirtschaft bisher kein durchschlagender Erfolg wurde, liegt wohl in der Befürchtung, dass Konsumenten angesichts der futuristischen Intensivproduktion skeptisch sind. Das konnte nun eine Forschendengruppe um Jeyoung Son (Korea Advanced Institute of Science and Technology, Seoul) bei US-Konsumenten beweisen: Lebensmittel aus herkömmlicher Landwirtschaft werden tatsächlich als natürlicher und gesünder empfunden als aus dem Hightech-Hochhaus (Psychology & Marketing, 40:1466). Eine weitergehende Analyse zeigte interessanterweise, dass dieser Unterschied verschwindet, wenn ein gewisser „human touch“ betont wird – z. B. wenn per Foto auf der Verpackung suggeriert wird, dass Menschen das Gemüse geerntet haben…

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

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