Mentoring

Wie Frauen in der Forstwirtschaft neue Wege einschlagen

Frauen besitzen 25 Prozent des österreichischen Waldes, in der Forstarbeit sind sie allerdings noch extrem in der Minderzahl.
Frauen besitzen 25 Prozent des österreichischen Waldes, in der Forstarbeit sind sie allerdings noch extrem in der Minderzahl. Helmut Lunghammer
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Der Wald ist auch heute noch eine Männerdomäne. Aber Frauen sind auf dem Vormarsch, auch wenn sie noch immer gegen traditionelle Rollenbilder zu kämpfen haben. Netzwerke und Mentoring geben Starthilfe und rütteln an alten Strukturen.

Bevor Andrea Pirker die Ausbildung zur Forstwirtschaftsmeisterin begann, dachte sie erst mal, es sei eine Ausbildung wie jede andere: „Meine Eltern meinten: Wenn du als Frau den Hof übernehmen willst, musst du dich gut auskennen.“ Damals wusste sie selbst noch nicht, dass sie auf allen Ebenen mehr lernen musste, um in der männerdominierten Branche ernst genommen zu werden. In den drei Jahren der Forstwirtschaftslehre war sie das einzige Mädchen, das neben den Männern die Motorsäge schwang. Ein Vorbote für die kommende Laufbahn, in der Pirker stets aufgrund ihres Frauseins herausragte.

„Das war in der täglichen Arbeit anfangs schwierig, weil man nicht ernst genommen wurde. Viele dachten, ich wäre nur in der Forstwirtschaft, um mir einen geeigneten Heiratskandidaten zu suchen“, sagt die Land- und Forstwirtin lachend. Eine Episode blieb besonders im Gedächtnis: „Als mich ein Kollege an der Säge sah, hat er mir mit sehr lautem Organ zugerufen, ich hätte da nichts zu suchen.“

Allein unter Männern

Das ist knapp dreißig Jahre her, das „Alien-Dasein“ als Frau ist im Forstsektor allerdings immer noch gegeben, bestätigt Barbara Öllerer von der Universität für Bodenkultur (Boku). Acht Prozent der Beschäftigten im professionellen Forstsektor sind mittlerweile weiblich, besagen die aktuellsten Zahlen der Waldbewirtschaftung. Genaue Daten darüber, in welchen Positionen die Frauen arbeiten, gebe es allerdings nicht. „Der Anteil an Frauen in Führungspositionen und Gremien ist auf jeden Fall noch mal geringer“, so Öllerer. Eine starke Unterrepräsentation, die sich durch die verschiedenen Ausbildungen im Forstsektor zieht.

In der Ausbildungsstätte FAST Pichl in St. Barbara im Mürztal finde sich im Forstwirtschaftsmeisterkurs „alle paar Jahre mal eine Frau“, wie Fachreferentin Dagmar Karisch-Gierer erklärt. In Kursen zur praktischen Waldarbeit oder dem Holzbau ist der Frauenanteil im einstelligen Bereich. Dem gegenüber stehen 30 Prozent Waldbesitzerinnen, die in Österreich 25 Prozent des österreichischen Privatwalds besitzen.

Forstarbeit heißt nicht (nur) Motorsäge

„Viele denken, dass die Arbeit im Wald stark mit körperlicher Arbeit zusammenhängt und man täglich Bäume fällen müsse“, erzählt sie. Das sei auch für Männer herausfordernd, fügt sie hinzu, wobei hier nicht (nur) Kraft, sondern Technik ausschlaggebend sei. Tatsächlich kommen die meisten Aufgabenbereiche der Forstwirtschaft ohne Motorsäge aus: „Ich kann Waldbesitzer und -besitzerinnen zur Bewirtschaftung des Walds beraten, in forstlichen Ausbildungsstätten unterrichten oder in die Holzverarbeitung gehen.“ 

In Kursen zur praktischen Waldarbeit ist der Frauenanteil (noch) gering. Jedoch sieht Karisch-Gierer in den letzten Jahren verstärktes Interesse.
In Kursen zur praktischen Waldarbeit ist der Frauenanteil (noch) gering. Jedoch sieht Karisch-Gierer in den letzten Jahren verstärktes Interesse. Helmut Lunghammer

Karrierehürden: Von sexueller Belästigung bis Tokenism

Im Forstwirtschaftsstudium der Boku sind derzeit circa 25 Prozent der Studierenden weiblich. Öllerer gehört zu diesen 25 Prozent, hat selbst einen Wald zu Hause und kennt die forstliche Praxis aus eigener Erfahrung. „Interessant fand ich immer die Aussagen seitens der Stakeholder, Frauen würden sich deshalb nicht auf freie Stellen im Forstsektor bewerben, weil sie sich diese nicht zutrauten.“ Um die genderspezifischen Karrierehürden im Forstsektor näher zu untersuchen, interviewte sie Frauen in Führungspositionen. Familiäre Betreuungspflichten waren ein Thema. Hinzu kamen Aspekte der sexuellen Belästigung, eingefahrene Rollenbilder, beispielsweise, dass Kompetenz männlich konnotiert sei, fehlende Netzwerke sowie „Tokenism“, also wenn man als Frau (ungewollt) zum Symbol der Andersartigkeit gemacht werde. Was Öllerer noch auffiel: „Alle diese Frauen waren selbstbewusst und charismatisch – was ist also mit all jenen, die diese Eigenschaften nicht haben?“

Der Verein Forstfrauen bietet den weiblichen Forstarbeiterinnen ein Netzwerk und unterstützt Einsteigerinnen mit Coachings.
Der Verein Forstfrauen bietet den weiblichen Forstarbeiterinnen ein Netzwerk und unterstützt Einsteigerinnen mit Coachings.Helmut Lunghammer

Neue Netzwerke für die Forstfrauen

2001 hat Karisch-Gierer gemeinsam mit Hermine Hackl die Forstfrauen gegründet. Mittlerweile zählt der Verein 152 Mitglieder, darunter acht Männer. Es sei ein Ort, „wo Frauen ihre Erfahrungen teilen und sich Hilfe von erfahrenen Forstschaffenden holen können“. Als Weiterbildung werden beispielsweise Kurse zu Kommunikationsstrategien in männerdominierten Berufen angeboten, um zu lernen, „wie man mit einem Schlägerungsunternehmer auf Augenhöhe spricht“. Es ginge vor allem darum, die nicht-forstlichen Kompetenzen zu stärken, so Karisch-Gierer. Die Fast Pichl initiierte außerdem zusammen mit zehn Ländern des Donauraums das Projekt Fem4Forest mit dem Ziel, Waldbesitzerinnen und Arbeitnehmerinnen auf dem Berufsweg zu unterstützen. Daraus entstand im letzten Jahr der internationale Dachverband Women in Forestry International.

Mentoring an der BOKU

Auch die BOKU Wien startet im Herbst in die zweite Runde ihres Programms „Frauenmentoring in der Forstwirtschaft“. Fünf Jahre dauert das Programm insgesamt, pro Durchgang (zwölf Monate) können 15 bis 20 Mentees teilnehmen. „Willkommen sind Absolventinnen der Boku oder der FH, Försterinnen, Forstwirtschaftsmeisterinnen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn aber auch Wiedereinsteigerinnen, die z. B. nach der Karenz wieder Anschluss und/oder neue Ideen suchen“, betont die Projektleiterin, Karin Weber. Diese haben die Möglichkeit, sich regelmäßig mit den aus der Forschung, Privatwirtschaft oder Verwaltung kommenden Mentoren und Mentorinnen online, telefonisch oder physisch zu treffen und auszutauschen. Kooperiert wird außerdem mit Fast Pichl und dem gemeinnützigen Verein Nowa aus Graz, wo die betreuenden Mentorinnen und Mentoren selbst weitergebildet werden. Weber: „Das geht von gendersensiblem Mentoring über interkulturelle Kompetenz, Leadership-Fähigkeiten bis hin zu Sensibilisierung der Werte eines diskriminierungsfreien Arbeitsplatzes.“ Das Projekt soll auch dazu beitragen, die Strukturen besser zu verstehen und gemeinsam darauf zu schauen, was die Forstwirtschaft braucht. Und natürlich die Frauen dazu ermutigen, sich in den Wald zu trauen, denn so Karisch-Gierer: „Die Forstwirtschaft braucht die Frauen, weil sie einen anderen Blick auf die Dinge richten, einen pragmatischen Zugang haben und weniger vom Prestige- und Imagegedanken geleitet sind.“ Von dieser Herangehensweise profitiere nicht nur das Image der Forstwirtschaft, sondern auch der Wald selbst.

Infobox

Forstausbildungen:

Die Ausbildungsstätte Fast Pichl bietet neben der Berufsausbildung zur Forstfacharbeiterin und Forstmeisterin auch einzelne Lehrgänge, etwa Waldwirtschaft für Einsteiger:innen oder Waldpädagogik an. Ähnliche Kurse finden sich an der forstlichen Ausbildungsstätte Traunkirchen des BFW. Der Verein Forstfrauen bietet Coachings und Netzwerktreffen an.

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