Fischsterben

Das hilflose Warten auf die nächste Giftwelle in der Oder

Ein Jahr nach dem Massensterben von Fischen streiten Deutschland und Polen über die Ursache – und deren Beseitigung. In einem Nationalpark am Fluss bereitet sich der Leiter mit Gummihandschuhen und Abfallcontainern auf die nächsten Leichenberge vor.

Wer zum Fluss will, an dessen Ufern vergangenen Sommer die toten Fische angeschwemmt wurden, geht durch hüfthohes Gras. Ein Vogel stiebt davon. Ein Schmetterling flattert im Sonnenlicht. Am Ende des Pfades liegt eine frisch gemähte Uferböschung. Ein schwarz-rot-gelb gestrichener Holzpfahl zeigt die nahe Grenze an. Auf dieser Seite ist Deutschland, auf der anderen, wo die Äste der Bäume ins Wasser hängen, liegt Polen. Dazwischen liegt der Fluss, die Oder oder Odra.

Er ist seltsam trübe.

„Sieht ein bisschen aus wie Moorwasser“, sagt Dirk Treichel. „Also schwarz.“ Es ist ein kühler Sommertag im ehemaligen Fischerdorf Criewen, rund eine Autostunde östlich von Berlin. In Jeans, Hemd und Sandalen sitzt Treichel in seinem Büro, von wo er den Nationalpark Unteres Odertal auf der deutschen Seite des Flusses leitet. Er kann viel über die geschützten Auen erzählen, die sandigen Ufer, über Pflanzen wie den Kriechenden Sellerie, Fische wie das Flussneunauge, die seltenen Vögel. Die Oder ist die Lebensader für all das hier. Seit einiger Zeit erkennt er sie kaum wieder.

Um den Fluss hat sich ein Drama entwickelt, in dem Wissenschaft beiseite gewischt, Gerichtsurteile ignoriert und uralte Ressentiments aus den Tagen preußischer Herrschaft aufgewärmt werden. Währenddessen wartet Treichel am Ufer darauf, dass die nächste Welle der Vernichtung kommt, die Oder völlig ihre Balance verliert.

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