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Jedermann in Salzburg: Wer ruft denn da?

Gottfried Seer und Irmtraud Költringer rufen diesen Sommer nach Jedermann.
Gottfried Seer und Irmtraud Költringer rufen diesen Sommer nach Jedermann.Wildbild
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Heuer dürfen erstmals auch Frauen nach Jedermann rufen – eine von ihnen ist Irmtraud Költringer. Gottfried Seer wiederum ist seit 2001 im Ruferteam.

Egal, welche Inszenierung, es ist in jeder Aufführung der Gänsehautmoment im Salzburger Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes: Rund um den Domplatz rufen mitten im Stück plötzlich laute Stimmen „Jedermann“. Die Stimmung kippt von fröhlicher Feierlaune in Angst und Panik. Ein Schlüsselmoment. 

Heuer sind es erstmals auch drei Frauen, die mit ihrer Stimmgewalt den Jedermann an den nahenden Tod gemahnen. Einige Rufer bringen es auf 140 Dezibel – das ist ungefähr so laut wie ein Flugzeugstart. Irmtraud Költringer hat sich im Frühjahr bei einem Cas­ting beworben. Da hat sie schon gewusst, dass sie mit ihrer Stimme 140 Dezibel erreicht, weil sie das aus Spaß einmal in einer Schallkabine im Haus der Natur ausprobiert hatte.

Stimmgewaltige Frauen

Dort kam der Salzburgerin auch die Idee, es vielleicht einmal als Jedermann-Ruferin zu versuchen. Als heuer beim Casting erstmals auch Frauen zugelassen waren, hat sie sich sofort beworben. Und kam nach ein paar Proberufen in die zweite Runde, wo sie auf Gottfried Seer traf. Der Flachgauer ist der längst dienende Jedermann-Rufer. Seit 2001 ist er dabei.

Der Profi erklärte den Anwärtern, worauf es bei dieser Aufgabe ankommt.  Es geht nämlich nicht nur darum, möglichst laut zu sein. „Die drei Takte ‚Je – der – mann‘ müssen gleich lang und etwas gedehnt sein“, erläutert Seer. Außerdem darf die Stimme bei der letzten Silbe nicht nach unten kippen. Und natürlich müssen die Rufe aus den unterschiedlichen Positionen zeitlich genau aufeinander abgestimmt sein, damit sie auf dem Domplatz im richtigen Moment ankommen.

Die Rufer stehen am Turm, am Berg, im Dom

„Ich habe mich sehr über die Zusage gefreut“, erzählt Költringer. Die Salzburgerin ist normalerweise Filmvorführerin im „Das Kino“, heuer steht sie zusätzlich an den Nachmittagen und Abenden der Aufführungen auf der Terrasse des Festspielhauses und wartet auf ihren Einsatz. Anders als ihr Kollege Seer, der auf dem Turm der Franziskanerkirche positioniert ist, hat sie keinen Blick auf die Bühne und hört auch nicht, was sich gerade auf dem Domplatz tut.

„Ich bekomme meinen Einsatz über das Handy“, sagt Költringer. Ihre Kolleginnen und Kollegen stehen auf dem Mönchsberg, im Dom oder rufen von der Residenz. Insgesamt gibt es sieben Ruferinnen und Rufer, drei Frauen und vier Männer. Wichtig sei, dass man nicht ins Leere rufe, sondern es – durch eine Mauer oder eine Felswand – ein Echo gebe, erläutert Seer: „Unser größter Gegenspieler ist der Wind.“

Mit Funkgerät und Taschenlampe

Bevor Seer seine Stimme über die Stadt erschallen lassen kann, muss er zuerst den Turm der Franziskanerkirche aufsperren und 250 Stufen bewältigen, um seine Position hoch oben über der Stadt einzunehmen. Er hat immer das Funkgerät und eine Taschenlampe bei sich. Kurz vor seinem Einsatz holt er tief Luft, hebt die Hände, formt einen Schalltrichter und ruft dann mit seiner tiefen Stimme „Je – deeer – maaan“.

Dass er zum Rufer wurde, war Zufall. Bei der Stadterhebung von Neumarkt gab es einen Rufer-Bewerb, den Seer gewonnen hat. Festspielarzt und Stimmexperte Josef Schlömicher-Thier gab Seer danach den Auftrag, sich beim Rufer-Casting zu bewerben. Er bekam den Job und hat seither viele Jedermänner, Buhlschaften und Regieideen kommen und gehen sehen.

Sehr gerne erinnert er sich an Peter Simonischek: „Ihm war der gute Kontakt zu allen sehr wichtig, es hat einen unheimlichen Zusammenhalt gegeben.“ Als Simonischek aufhörte, bekamen alle Mitwirkenden eine persönlich gewidmete Münze aus der Jedermann-Schatzkiste. Seer hält sie in Ehren.

Akribische Suche nach richtiger Position

Unter Regisseur Christian Stückl wurde eingeführt, dass die Rufer auch bei den schlechtwetterbedingten Aufführungen im Festspielhaus mit dabei sind. „Bis dahin kamen die Rufe im Festspielhaus vom Tonband“, erinnert sich Seer. Stückl, der sehr auf Details geachtet hat, wollte auch dort die echten Rufer und suchte mit ihnen akribisch nach den richtigen Positionen. „Heute ist es nicht mehr vorstellbar, dass da ein Tonband verwendet wird.“

Dass heuer erstmals auch Frauen im Team sind, gefällt Seer. Es war an der Zeit, diese Aufgabe zu öffnen. Schließlich spielt die Buhlschaft Valerie Pachner ja auch heuer erstmals als zweite Rolle den Tod. „Ob es Hugo von Hofmannsthal gefallen hätte, weiß ich nicht“, sagt der erfahrene Rufer und schmunzelt.

„Es ist eine Ehre, dass man Teil des ‚Jedermanns‘ sein darf“, sind sich Költringer und Seer einig. Besonders mögen beide die Abendvorstellungen, weil die einbrechende Dunkelheit für zusätzliche Mystik auf dem Domplatz sorgt. Und in noch einem Punkt stimmen der Rufer-Profi und die Neueinsteigerin überein: Im nächsten Sommer wollen sie auf jeden Fall wieder mit dabei sein.

Auf einen Blick

Heuer dürfen erstmals auch Frauen nach Jedermann in Salzburg rufen. Eine von den drei Frauen im Rufer-Team ist Irmtraud Költringer. Ihre Stimme erreicht 140 Dezibel. Das ist ungefähr so laut wie ein Flugzeugstart. Die Ruferinnen und Rufen sind seit Regisseur Christian Stückl auch bei Schlechtwetter im Festspielhaus dabei. Davor kamen die Rufe dort über das Tonband.

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