Chavez: Venezuela nannte ihn „mi comandante"

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Die Venezolaner haben ihren Führer verloren, den sie immer - oder fast immer - mit Mehrheiten unterstützen, trotz aller nationalen Defizite und internationalen Irrlichtereien.

BUENOS AIRES/CARACAS. Venezuela hat mit Hugo Chávez den schillerndsten Präsidenten seiner Geschichte verloren. Einen Sozialreformer, der viel mehr anpackte als die meisten Vorgänger zusammen - und der kaum etwas davon zu Ende brachte. Einen Befreier, der die Einigung seines Kontinents zu finanzieren versuchte - und der sein eigenes Land ruinierte. Einen Antiimperialisten, der globale Allianzen schmieden wollte - und der zum Handlanger und Geldwäscher von Terrorgruppen und Pariastaaten wurde. Die Venezolaner haben ihren Führer verloren, den sie immer - oder fast immer - mit Mehrheiten unterstützen, trotz aller nationalen Defizite und internationalen Irrlichtereien. Für viele Menschen in Venezuela ist gestern ein enges Familienmitglied gestorben. Ein Mensch, den sie liebten. Sie nannten ihn „mi comandante" .

Letzte Ansprache am 7. Oktober

Als Chávez das letzte mal zu seinem Volk sprach, war alles Fiesta, wie früher, wie immer. Am 7. Oktober, nach der vierten konsekutiven Eroberung des Präsidentenamtes stand er entrückt in rotem Bluson und mit rotem Barrett auf dem kleinen Balkon des Präsidentenpalastes Miraflores, unter sich ein jubelndes Menschenmeer. „Ich bitte Gott, dass er mir Leben schenke und Gesundheit, um weiter an der Spitze des bolivarianischen Venzuela zu stehen" rief er dem Volk entgegen, das seinen Beteuerungen geglaubt hatte, frei zu sein von Krebs und fit für weiter sechs Jahre. Doch nur Tage danach verbannten die Ärzte den Comandante von der Bildfläche, die sein Habitat war, seit Beginn der ersten Präsidentschaft 1999 - und eigentlich auch schon zuvor.

Gescheiterter Putsch 1992

Als der Oberstleutnant Hugo Rafael Chávez Frías, 37-Jährig und unbekannt, am 4. Februar 1992 realisierte, dass der Putschversuch, den er anführte, gescheitert war, ergab er sich - unter der Bedingung, dass ihn das Fernsehen interviewen würde. Es wurden die entscheidenden Sendesekunden in seiner Karriere: Chávez, schlank, entschlossen und unglaublich viril, blickte direkt in die TV-Kamera und übernahm die volle Verantwortung für die Rebellion - ein unerhörter Akt in einem Land, in dem niemand jemals an irgendetwas schuld gewesen sein wollte. Und er sagte: „Leider wurden die gesteckten Ziele nicht erreicht - vorerst!"

Sechs Jahre später hatte er sein Ziel erreicht - auf demokratischem Wege. Er hatte das große Glück, dass er nach nur zwei Jahren im Gefängnis begnadigt wurde. Nach der Entlassung machte der exhonorierte Militär zwei bedeutungsvolle Reisen: Eine - kurze - ging nach Kuba, wo Fidel Castro den jungen Wilden empfing wie einen Staatsgast. Die andere - wesentlich längere - führte durch Venezuela. Zwei Jahre lang zog Chávez von Dorf zu Dorf, von Staat zu Staat.

Diese profunde Kenntnis seiner Heimat, den Klimata, den Temperamenten, den Traditionen und Gesängen war sein Schlüssel zum Herz vieler Venezolaner. Wo immer Chávez später auftrat, um Betriebe zu eröffnen, Wahlkampf zu betreiben oder seine TV-Ego-Show „Aló Presidente" zu senden, er wusste ein lokales Liedchen zu trällern, eine Anekdote aufzusagen, in seinem phänomenalen Gedächtnis war immer etwas Sentimentales abgelegt, das den Menschen suggerierte: Er ist einer von uns.

Wollte bis zum Jahr 2021 regieren

Immer wieder bekundete Hugo Chávez seinen politischen Willen, bis zum Jahr 2021 regieren zu wollen. Da jährt sich zum 200. Mal die Gründung Großkolumbiens durch Simón Bolívar, des Befreiers Südamerikas, dessen Reinkarnation Chávez zu verkörpern glaubte.

Kurz vor der triumphal verkündeten Heimkehr hatte die Regierung noch mehrere Fotos publiziert, die einen offensichtlich geschwächten, aber lächelnden Chávez zeigten. Doch der Tod war nicht mehr aufzuhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. März 2013)

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