Salzburger Festspiele

Verbrecherische Eroberungen mit Teodor Currentzis

Singt mit melancholisch gedeckten, fürs Leiden prädestiniert wirkenden Farben: Jeanine De Bique als Mayaprinzessin Teculihuatzin.
Singt mit melancholisch gedeckten, fürs Leiden prädestiniert wirkenden Farben: Jeanine De Bique als Mayaprinzessin Teculihuatzin.Salzburger Festspiele/Marco Borrelli
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„The Indian Queen“ frei nach Henry Purcell – eine Art Bühnenweih-Trauerfeierspiel über das Menschheitsverbrechen kolonialer Eroberung und Ausbeutung: Teodor Currentzis liefert dazu die Requiems-Tonspur. 

Schnapsflaschen in den Händen der beiden Kerle hätten noch gefehlt. Nach dem unsäglichen Gemetzel, das die Konquistadoren unter den Mayas angerichtet haben, folgt eine gruselige und doch ganz logisch wirkende Szene. Schlägt man die Partitur von Henry Purcells „Indian Queen“ aus, findet man ein leichtfüßiges Duett. In der Deutung durch Peter Sellars und Teodor Currentzis wird es zu einem düsteren Höhepunkt an einem Abend der radikalen und radikal freien Um- und Neudeutung. Im Original sind es zwei Luftgeister, die in terzenseliger Koloraturen-Eintracht über die menschlichen Leidenschaften schmunzeln: ein schwerelos heiterer, in a-Moll notierter Tanz im Dreiertakt: „Ah! how happy are we!“ Doch hier ist das Tempo lastend, die Stimmung gedrückt. Zwei der erschöpften Schlächter, der Kommandant Don Pedro und sein Adlatus Don Pedrarias, versuchen sich krampfhaft ihrer guten Laune zu versichern: mit halb verwundertem, halb aggressivem Ton. Sollten sie sich nicht freuen über den Sieg? Nein, „happy“ ist oder wird da keiner mehr, nicht auf der Bühne, nicht im Publikum – die ganzen dreieinhalb Stunden lag nicht, in denen Purcells Werk monumentalisiert wurde, zu einer Art von kathartischem „Bühnenweih-Trauerfeierspiel“. Trotzdem oder gerade deshalb gab’s am Ende Jubelstürme in der Felsenreitschule. 

„The Indian Queen“, das ist Purcells letzte, 1695 durch seinen frühen Tod unvollendet gebliebene „Semi-Opera“. Ein eigener Fachbegriff war fällig für dieses merkwürdige Genre, das in den 1690er-Jahren in England seine Blüte erlebte: Gemeint ist ein Sprechtheaterstück, das durch Zwischenspiele, Tänze, Arien und Ensembles, vorzugsweise von überirdischen Figuren oder als im Stück gesungene Lieder, eine deutliche musikalische Schlagseite bekam – vielleicht ein typisch britischer Kompromiss zwischen Common Sense und der neuen Lust an opulenter Unterhaltung, die nach dem blutigen Puritaner-Intermezzo in der Restauration unter Charles II. erblühte.

Die Mayaprinzessin und der spanische Kommandant

Die genrebedingt nur lose Verbindung der Partitur mit dem damaligen Drama, das einen fiktiven Konflikt zwischen Azteken und Inkas abhandelt, hat Peter Sellars schon 2013 dazu inspiriert, Purcell und den Schauplatz Amerika für ein wichtigeres Thema zu nützen: das Menschheitsverbrechen kolonialer Eroberung und Ausbeutung.

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