Männerfreundschaften sind in der Regel sehr kompetitiv. Über Gefühle zu sprechen, fällt dabei eher schwer.
Serie: Gefühlssache

„Männer müssen anfangen, miteinander zu reden“

Zwischen Schulterklopfen und Kräftemessen: In Freundschaften unter Männern finden Intimität und Zärtlichkeit oft nur wenig Platz. Über das Entledigen alter Rollenbilder.

Männer vereinsamen. Oder, um es zeitgenössisch zu formulieren – zeitgenössisch bedeutet ja mittlerweile meistens englisch –, Männer unterliegen einer sogenannten „friendship recession“. Einem Trend, der wie so viele psychologische Phänomene seit der Covid-19-Pandemie vermehrt Erwähnung findet. Auch Frauen sind einsamer geworden, die Zahlen der Männer sind aber weitaus drastischer. In einer Umfrage aus dem Jahr 2021 unter mehr als 2000 Erwachsenen in den Vereinigten Staaten gab nicht einmal die Hälfte der Männer an, mit der Dimension ihres Freundeskreises zufrieden zu sein. 15 Prozent postulierten, gar überhaupt keine engen Freunde zu haben. Das sind in etwa fünf Mal so viele wie 1990. Männer würden der Umfrage zufolge auch seltener über Gefühle sprechen, geschweige denn um emotionalen Beistand bitten. Mit ein Grund, warum sich viele von ihnen schwer tun, innige Freundschaften zu knüpfen.

„Männer werden von klein auf dazu angehalten, Schmerz auszuhalten, zu funktionieren, komme was wolle“, sagt David Begusch, Psychotherapeut und Sozialpädagoge. Frauen bringe man im Gegenzug eher bei, Fürsorge zu leisten, einfühlsam und empathisch zu sein, weshalb die Care-Arbeit großteils immer noch an der Frau hängen bleibt – auch hierzu gibt es Zahlen. Beigebracht werde das dem Kind je nach Geschlecht quasi von Null weg, trotz bröckelnder Rollenbilder. „Auch in progressiven Familien ist Care-Arbeit oft ungleich verteilt. Und was die Eltern vorleben, prägt auch die späteren Freundschaften“, weiß Begusch. Tauscht der Vater mit seinen Freunden keine innigen Umarmungen aus, nur hartes Schulterklopfen, registriert das ein Kind. Ebenso, wenn der Vater oder ein männliches Vorbild kaum über Gefühle spricht. Erst ab der Jugend ist der Freundeskreis der stärkste Einfluss. Wie man eigene Gefühle kommuniziert und Freundschaften lebt, kann sich also im Laufe des Lebens ändern. „Wir lösen uns immer mehr von unseren Eltern als Role-Models und bekommen nach und nach andere Vorbilder, die unsere Perspektive erweitern“, sagt Beguschs Kollegin, die klinische Psychologin Marie-Christin Hinteregger.

Männerfreundliches Umfeld

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