Russland: Beging Putin-Gegner Beresowski Selbstmord?

Beging Boris Berezowski Selbstmord
Beging Boris Berezowski Selbstmord(c) REUTERS (ANDREW WINNING)
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Er war Russlands größter Strippenzieher, Wladimir Putins Steigbügelhalter und bald sein erbittertster Gegner. Am Samstag starb Boris Beresowski in seinem Anwesen in der Nähe von London. Woran, ist vorerst noch unklar.

Moskau. Die Art, wie Dmitrij Peskow gestern Betroffenheit über den Tod von Boris Beresowski simuliert hat, zeugt von einem fortgeschrittenen Stadium des Zynismus. „Was für ein Mensch auch immer es ist“, hob Wladimir Putins Sprecher im Kreml an, „die Nachricht vom Tod eines Menschen ist immer eine traurige Kunde.“

In Wirklichkeit freilich hatte die Kreml-Spitze über ein Jahrzehnt lang nichts mehr gewünscht, als dass der zuletzt 67-jährige Berezowski für immer verstummen möge. Ob durch natürliches Ableben oder durch eine über Interpol urgierte Auslieferung durch die britischen Behörden an die Russen war da nicht entscheidend gewesen. Nun ist es passiert: Am vergangenen Samstag wurde Berezowski tot in seinem Haus in Ascot bei London gefunden.

„Nichts Verdächtiges“ im Haus

Dass er im Auftrag des Kreml einem Giftanschlag hätte erlegen sein können wie sein Freund und Exspion Alexandr Litwinenko im Jahr 2006, kursierte in den ersten Stunden als Version genauso wie Selbstmord oder Herzinfarkt. Immerhin fanden Experten für chemische, biologische und atomare Stoffe „nichts Verdächtiges“ im Haus. Die Todesursache blieb dennoch bis Redaktionsschluss im Dunkeln, womit sich der rätselumwobene Mythos Beresowskis auch noch Stunden nach seinem Tod fortschrieb.

Beresowski war bei Weitem nicht nur ein Kritiker des Kreml und Putins persönlich, er war in dessen Augen gar der Gottseibeiuns schlechthin. Was immer an Attacken gegen Putins Regime aus dem Ausland geritten wurde, überall war Beresowski nicht weit – notfalls als Sündenbock. Das begann alsbald, nachdem Putin den berüchtigten Strippenzieher kurz nach seinem Amtsantritt als Präsident im Jahr 2000 aus dem Land geworfen hatte.

Dabei hatte Beresowski federführend mitgewirkt, dass der vorherige Staatspräsident Boris Jelzin kurz zuvor Putin als Nachfolger einsetzte. Putin freilich emanzipierte sich im Nu von seinem Steigbügelhalter, riss sich eiligst die Massenmedien aus dem Imperium des steinreichen Beresowski unter den Nagel und drängte ihn auch aus anderen Beteiligungen. Beresowski, der unter Jelzin die Fäden im Kreml gesogen hatte und als „Pate des Kreml“ (so der Titel einer Biografie des später ermordeten US-Journalisten Paul Chlebnikov) firmierte, suchte fortan verzweifelt seinen Einfluss vom britischen Asyl aus geltend zu machen. Dort war er gut gelitten, weil er den britischen Behörden in den Zeiten des schlechten bilateralen Verhältnisses als ätzende Stimme gegen Russland zupasskam. Erst in den vergangenen paar Jahren riefen ihn offenbar auch die Briten zur Besonnenheit auf.

Symbolfigur der postsowjetischen Ära

Beresowski war bis zuletzt eine Symbolfigur für eine postsowjetische Ära gewesen, in der krumme Privatisierungsdeals und die Materialisierung politischer Connections ein Vermögen nach sich zogen. Ob im Autohandel oder im Bankengeschäft, ob in der Spekulation mit der Hyperinflation dieser Jahre oder im Aluminium- und Ölsektor: Als studierter Mathematiker war Beresowski immer an vorderster Front dabei gewesen und paktierte für seinen Aufstieg sogar mit der tschetschenischen Mafia. Umso mehr muss ihm der zunehmende Bedeutungsverlust der vergangenen Jahre das Genick gebrochen haben, zumal er mit seiner faktischen Prinzipienlosigkeit ohnehin längst nicht mehr als Alternative zu Putin infrage kam. Vor allem der Schadenersatzprozess gegen den russischen Oligarchen und Besitzer des Fußballklubs „Chelsea“, Roman Abramowitsch, setzte ihm zu.

„Keine Lust, Politik zu machen“

Beresowski hatte seinen Zögling im Vorjahr auf 3,5 Milliarden Euro geklagt, weil er für seine Anteile am Ölkonzern Sibneft zu billig abgegolten worden sei. Doch er fuhr eine katastrophale Niederlage vor Gericht ein. Seither kämpfte er mit finanziellen Problemen und wohl auch mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. „Mein Leben hat keinen Sinn mehr“, sagte er in einem Gespräch, das wenige Stunden vor seinem Tod im russischen Magazin „Forbes“ erschienen war: „Ich habe keine Lust, Politik zu machen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin 67 Jahre alt. Und ich weiß nicht, was ich in Zukunft machen soll.“

Großes hatte sich in der Tat nicht mehr für ihn abgezeichnet. „Es gab keinen Platz für ihn – weder im heutigen noch im morgigen Russland“, schrieb die russische Onlinezeitung gazeta.ru in einem Nachruf, „und das hat er verstanden.“

Zur Person

Boris Beresowski wurde am Samstagabend tot in seinem Anwesen in Ascot bei London gefunden. Offenbar beging er Selbstmord.
In den 1990ern
unter Präsident Boris Jelzin wurden Beresowski und andere „Oligarchen“ wie Michail Chodorkowskij oder Wladimir Gusinskij steinreich. Das änderte sich mit Putins Amtsantritt. Beresowski ging 2000 nach Großbritannien. Vor einem Londoner Gericht lieferte er sich einen Rechtsstreit mit seinem früheren Geschäftspartner Roman Abramowitsch über den (laut Beresowski erzwungenen) Verkauf seiner Anteile bei der Firma „Sibneft“. 2012 verlor er den Prozess.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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