Silvio Berlusconis angebliche Gespielin in der Bunga-Bunga-Affäre empörte sich über den "Privatkrieg" der Justiz gegen den Ex-Premier. Nach einer Bindehautentzündung und einer Gegenklage ist der Prozess auf Eis gelegt.
Rom. Die Piazza vor dem Mailänder Gerichtsgebäude macht zunehmend der weltberühmten Scala Konkurrenz: Sie wird immer mehr zum bevorzugten Ort für Tragödien und Komödien aller Art. Vor einigen Wochen haben sich auf der Piazza bereits etwa 200 Abgeordnete der Berlusconi-Partei PDL versammelt, um gegen die angebliche Verfolgung ihres Parteichefs durch die Justiz zu demonstrieren. Die Parlamentarieroperette fällt unter die Kategorie „Einschüchterungsversuch gegen die dritte Gewalt“.
Gestern war eine andere Spezialität des „Cavaliere“ Silvio Berlusconi angesagt: die Schmierenkomödie. Mit heiligem Zorn im Gesicht und einem Kommuniqué in der Hand erschien Karima el-Mahroug, besser bekannt unter ihrem „Künstlernamen“ Ruby Rubacuori, auf den Treppen vor dem Gericht. Die marokkanische Ausreißerin, inzwischen Mutter geworden, beschwerte sich bei den Journalisten darüber, dass sie von den Medien zur Hure gemacht worden sei: Die Bunga-Bunga-Affäre sei inszeniert worden, um Berlusconi zu schaden. Sie wolle als Zeugin angehört werden: „Inzwischen habe ich kapiert, dass ein Krieg gegen Berlusconi im Gang ist, in den ich hineingeraten bin.“
Ob das Kommuniqué von Berlusconis Anwälten oder von Ruby selbst verfasst wurde, ist Gegenstand von Spekulationen. Fest steht, dass die junge Frau bei ihrem surrealen Auftritt mehr oder weniger wörtlich das wiederholte, was sie bereits in der Voruntersuchung erklärt hatte und was die Staatsanwälte als eine von Berlusconi mit Millionenbeträgen erkaufte und bis ins Detail abgesprochene Falschaussage taxierten: Sie habe niemals Sex mit Berlusconi gehabt, und sie habe sich ihm gegenüber als Nichte des ägyptischen Ex-Präsidenten Hosni Mubarak ausgegeben. Fragen beantwortete Ruby nicht. Nach dem Statement entschwand sie.
Ruby war in den Prozessen gegen Berlusconi und gegen seine Zuhälter zunächst tatsächlich als Zeugin vorgesehen gewesen – bis sie mehrere Vorladungen schwänzte. Später wollten nicht einmal mehr Berlusconis Anwälte die junge Frau befragen, und auch die Anklage verzichtete auf weitere Vorladungen. Für Staatsanwalt Antonio Sangermano bestehen keine Zweifel. „Die Abende in der Villa Arcore waren Teil einer systematischen Prostitution, die dazu diente, die sexuellen Bedürfnisse Silvio Berlusconis zu befriedigen“, sagte der Ankläger in seinem Plädoyer. Die damals minderjährige Ruby sei von Berlusconi zur Prostitution angestiftet worden.
Der Prozess, der nach dem Plädoyer kurz vor dem Urteil gestanden ist, ist seither blockiert. Zunächst verhinderten eine Bindehautentzündung und angebliche Sehstörungen des „Cavaliere“ das Verlesen der Strafanträge. Danach erzwangen seine Anwälte mit einer Befangenheitsklage gegen das Mailänder Gericht eine weitere Pause bis zum kommenden 22.April. Dann wird das Oberste Gericht über diesen Antrag entscheiden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2013)