Nach Eintrag auf Facebook: Suizidverdacht und Einweisung

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Facebook Suizidverdacht(c) REUTERS (THOMAS HODEL)
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Eine „b'soffene G'schicht“ endete in der Klagenfurter Psychiatrie. Ärzte habe weitreichende Möglichkeiten zum Schutz der Patienten vor Selbsttötung.

Wien. Es ist eine Entscheidung, die den handelnden Ärzten und Polizisten niemand abnehmen möchte. Eine Entscheidung, die Leben kosten oder retten kann, und die im Nachhinein schwer bis gar nicht dahingehend zu beurteilen ist, ob sie notwendig war, oder nicht. Und die trotzdem immer wieder mit guten Argumenten kritisiert wird.

Die Frage ist, ob und ab wann bei einem möglichen Verdacht auf Suizid die betroffene Person ihrer Freiheit beraubt und stationär in die Psychiatrie eingewiesen werden soll. Der Kärntner Journalist Bernhard Torsch hat das Anfang März selbst miterlebt. Für ihn endete ein seiner Meinung nach harmloses Posting auf seinem Facebook-Profil in der Psychiatrie des Klinikums Klagenfurt. Zu Unrecht, wie er meint. Hätte man ihm nur zugehört, so seine Argumentation, wäre ziemlich schnell klar gewesen, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr auf Selbsttötung bestand.

Das war geschehen: Am Abend des 6. März hatte Torsch, wie er selbst sagt, zu viel Alkohol getrunken. Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte er einen Text über Suizide in Spanien und Griechenland, die im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise stehen. Er schloss den Beitrag mit dem Satz: „Vielleicht ändert sich ja was, wenn ich mich umbringe?“ Am nächsten Morgen dämmerte ihm, dass der Eintrag vielleicht auch missverstanden werden könnte und löschte ihn. Zu spät. Ein Leser hatte bereits die Polizei informiert. Den angerückten Beamten versicherte Torsch, dass er nicht vorhabe, sich selbst zu töten. Dennoch führten sie ihn dem Amtsarzt vor, der ihn mit einem Ambulanzwagen in die psychiatrische Abteilung des Klinikums Kärnten überstellen ließ. Dort ließ ihm die diensthabende Ärztin folgende Wahl: „Bleiben Sie freiwillig, oder müssen wir einen richterlichen Unterbringungsbeschluss einholen?“ Torsch blieb. Fünf Tage lang. Danach wurde er entlassen. Auf eigenen Wunsch.

„Im Zweifel der sichere Weg“

„Ich beugte mich dem sanften Druck, um tatsächliche Maßnahmen gegen meinen Willen zu verhindern“, sagt er heute und betont, keiner der beteiligten Personen persönlich einen Vorwurf zu machen. „Alle handelten in guter Absicht.“ Seine Kritik richte sich eher an die systemischen Rahmenbedingungen, die Ärzten und Polizei auf vergleichsweise einfachem Weg Zwangsmaßnahmen erlauben. „Vor allem deshalb, weil ich ja von Anfang an sagte, dass es sich im konkreten Fall um einen Irrtum handelt.“

Die erste Entscheidung trafen die beiden Polizisten vor Ort. Aufgrund der vorliegenden Indizien war es ihre Aufgabe zu beurteilen, ob eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorlag und der Betroffene einem Arzt vorzuführen war. Im konkreten Fall entschied man sich, die Frage mit Ja zu beantworten. Trotz gegenteiliger Beteuerungen von Torsch. „Im Zweifel wird sich ein Beamter immer für den sicheren Weg entscheiden“, sagt Rainer Dionisio, Pressesprecher des Landespolizeikommandos.

Auch der diensthabende Amtsarzt teilte die Einschätzung der Polizisten. Er ließ Torsch in die Psychiatrie des Klinikums Klagenfurt einweisen. Und dort?

„In solchen Fällen gehen wir nach einer Checkliste vor“, sagt der Leiter der Abteilung, Herwig Oberlerchner. Die Fragen, die sich Ärzte stellen, lauten: Liegen Indizien (Facebook-Posting) für einen Suizid vor? Gibt es Vorerkrankungen? (Torsch leidet nach eigenen Angaben unter Depressionen.) Ist Alkohol mit im Spiel? (Ja.) Oberlerchner sagt, dass man in so einem Fall gar nicht anders könne, als auf Zeit zu spielen. Zeit, die man am besten durch eine stationäre Aufnahme gewinne.

Geregelt ist all das im sogenannten Unterbringungsgesetz (UbG), das Ärzten weitreichende Möglichkeiten zum Schutz von Patienten vor Selbsttötung einräumt. Widersetzen diese sich der stationären Aufnahme, geschieht sie zwangsweise. Anschließend wird die Maßnahme einem Richter zur Kontrolle vorgelegt. Pro Jahr passiert das in Österreich etwa 20.000 Mal.

Bernhard Torsch hat seine Erlebnisse in seinem Weblog zusammengefasst. Siehe dazu: lindwurm.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2013)

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