"The Knife": Keine Gewohnheiten!

Knife Keine Gewohnheiten
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"Shaking The Habitual": Das schwedische Duo The Knife radikalisiert seinen Elektropop.

Sometimes I get problems that are hard to solve.“ Karin Dreijer Andersson stellt diesen Befund an den Anfang von „Full Of Fire“, einem zentralen Song auf dem ersten Album von The Knife seit sieben Jahren. Mit gepresster Stimme, die sich nicht zwischen Flüstern und Singen entscheiden kann. Zu unwirschen Beats, die mehr an Fabriklärm erinnern als an den Elektropop, der das Geschwisterduo bekannt gemacht hat. Bald singt sie voll Zorn „All the guys and the signori / telling another false story“ und fragt „When you’re full of fire / what’s the object of your desire?“ Der Song ist längst zum surrealen Techno-Monster angewachsen, wenn Dreijer nach acht Minuten mit heftig verzerrter Stimme die bekannteste Zeile von Salt ’n’ Pepa variiert: „Let’s talk about gender, baby / let’s talk about you and me.“ Dieser fesselnde Song verdichtet zentrale Bausteine von „Shaking The Habitual“: das Hinterfragen von Politik und Macht, von Gender und Sex. Den Einsatz von Rhythmen und Klängen, die Wut und Unzufriedenheit in den Texten bisweilen bis zur Schmerzgrenze verstärken. „No Habits!“, fordern sie im Manifest zum Album. Man müsse die Dinge anders denken, anders tun, Gewohnheiten brechen. Sie meinen es politisch. Und halten sich auch musikalisch daran. Wenig erinnert an ihr dunkles Meisterwerk „Silent Shout“ und das lichtere „Deep Cuts“. So wenig, dass Karin und Olof Dreijer überlegten, das neue Werk unter anderem Namen zu veröffentlichen. Sie taten es nicht. Mit dem bedrohlichen Ambientstück „A Cherry On Top“ empfehlen sie sich als Soundtrack­lieferanten für David Lynch: weit entfernt vom infektiösen Pop von „Heartbeats“, ihrem bekanntesten Song, der in der Coverversion von José González zum Wohlfühl-Werbesoundtrack mutiert ist.

Zähflüssiger Groove. Die 100 Minuten von „Shaking The Habitual“ sind das Gegenteil von Wohlfühlmusik. „Wrap Your Arms Around Me“ klingt mit zähflüssigem Groove, als ob einem langsam der Atem abgeschnürt würde. „Stay Out Here“ vertont Paranoia als fatalistische House-Nummer. „Old Dreams Waiting to Be Realized“ ist schier endloses Albtraumdröhnen. Die pulsierenden Synthesizer, die früher prägend waren, wurden vielfach durch raue, metallische Klänge ersetzt. Geblieben ist ihr Faible für Steel-Drum-Samples und orientalische Aromen, etwa beim perkussiven „Without You My Life Would be Boring“. Und die Kunst, eine ganz eigene Welt zu kreieren. Die ist undurchsichtig und fordernd. Doch wer Zugang sucht (und findet), wird mit einem faszinierenden Album belohnt.

The Knife: „Shaking The Habitual“

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