„Nordkorea fürchtet die USA“

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Der US-Militärgeheimdienst warnt, dass Pjöngjang einen nuklearen Sprengkopf haben könnte. Experten nehmen die schrille Kriegsrhetorik allerdings nicht für bare Münze.

Washington. Einem neuen Bericht des amerikanischen Militärgeheimdienstes zufolge hat Nordkorea einen wenn auch fehleranfälligen Atomsprengkopf. Sollte das stimmen, könnten die nordkoreanischen Streitkräfte also Südkorea, Japan und amerikanische Stützpunkte im Pazifik mit atomaren Mittelstreckenraketen angreifen. „Allerdings wäre die Verlässlichkeit niedrig“, heißt es in dem Papier der Defense Intelligence Agency, aus dem ein Kongressabgeordneter am Donnerstag während einer Anhörung im Kongress zitiert hat.

Zugleich erwarten Nordkorea-Beobachter, dass Pjöngjang rund um den 15. April eine Mittelstreckenrakete des Typs „Musudan“ abfeuern wird. Auf diesen Tag fällt nämlich der 101.Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung, der 1994 verstorben ist. Solche Jahrestage waren schon für Kim Jong-il, den 2011 verstorbenen zweiten Machthaber und Sohn Kim Il-sungs, Anlass für Raketentests und ähnliche Demonstrationen echter oder vermeintlicher militärischer Stärke.

In den vergangenen Tagen hat das Regime des jungen Diktators Kim Jong-un (Sohn und Enkel der beiden genannten Kims) mehrfach Kriegsdrohungen gegen Südkorea und die USA ausgesprochen; Ausländer sollten Südkorea verlassen, um im Fall der Fälle nicht zu Schaden zu kommen.

Der Schlüssel liegt in Peking

„Wir werden unsere Verbündeten verteidigen – und auch uns selbst“, drohte US-Außenminister John Kerry am Freitag in Seoul. Der Abschuss der Rakete wäre „ein unnötiger, bedauerlicher und ungewollter Beitrag zu einer ohnehin schon unsteten, möglicherweise gefährlichen Lage“.

Kerry fügte allerdings auch hinzu, dass die amerikanische Regierung darauf hofft, dass die Nordkoreaner ihre Rhetorik entschärfen. Und er setzt dabei auf den Druck von Nordkoreas Schutzmacht China; Peking hat schließlich wenig Interesse an einer unberechenbaren neuen Atommacht an seiner Südgrenze, von einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel ganz abgesehen, einem wichtigen Handelspartner und Absatzmarkt für chinesische Waren. Mehrere frühere Diplomaten mit Korea-Erfahrung raten deshalb dazu, die schrille Kriegsrhetorik aus Pjöngjang nicht für bare Münze zu nehmen. Wer Krieg vermeiden will, müsse die Interessen des Regimes zu verstehen lernen.

„Was will Nordkorea? Eine hieb- und stichfeste Garantie, dass es nicht angegriffen wird. Denn die Nordkoreaner fürchten die USA. Sie sehen die Welt noch immer durch den Filter des Korea-Kriegs“, sagte Hazel Smith, vom Woodrow Wilson International Center. Smith hat zwei Jahre lang in Nordkorea gelebt, als sie für das UN-Welternährungsprogramm arbeitete.

Ende des Korea-Krieges anbieten

Zwei Ereignisse hätten die Atomstrategie der Kim-Dynastie geformt: erstens das Ende der sowjetischen Schutzmacht im Jahr 1990, zweitens der Irak-Krieg knapp danach. Denn die Armee Saddam Husseins war Nordkoreas Streitkräften sehr ähnlich. „Die doppelte Lehre war also, dass eine große Armee Regimewechsel nicht verhindern kann und Verbündete nicht vertrauenswürdig sind“, erklärte Smith. Einzig die Drohung mit der Atombombe könne das Regime an der Macht erhalten, indem es amerikanische Umsturzpläne im Keim ersticke. Smith hält es darum für ratsam, Nordkorea einen Friedensvertrag zur Beendigung des Korea-Krieges anzubieten – und zwar ohne die Vorbedingung, auf die Atombombe verzichten zu müssen. Das sei für den Westen schwer verdaulich, doch Smith zitiert Henry Kissinger: Diplomatie sei es nun einmal, ein Abkommen mit Gegnern zu schließen, deren Werte und Ziele man nicht teilt.

Der frühere stellvertretende US-Außenminister Mark Fitzpatrick vom International Institute for Security Studies gibt zu bedenken, dass Südkoreas Regierung zu so einem Frieden bereit sein müsse. „Die USA würden das wohl unterstützen. Sie würden es aber sicher nicht von sich aus tun und Südkorea damit zwei Drittel seines Staatsgebietes vorenthalten.“

Joseph DeTrani, ein früherer US-Botschafter in Seoul und Peking, hält es für notwendig, Kim Jong-un ernst zu nehmen. „Er hat bewiesen, dass er der absolute Führer ist.“ Verhandlungen halte er für möglich. Allerdings nicht bedingungslos: „Dialog ist gut. Aber es ist ein Unterschied dazwischen, reden zu wollen und jemandem die Waffe an den Kopf zu halten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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