Gastkommentar

Räuber, Generäle und Futtertröge

Peter Kufner
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Bereits 214 Mal wurde in Afrika seit den 1960er-Jahren geputscht. Gerade ist es das Militär in Niger, das an die Futtertröge drängt.

Niger war die letzte sogenannte Demokratie mit einem gewählten Präsidenten in der Sahel-Zone. Das Land wurde deshalb mit Millionen an Budgethilfen aus EU- und französischen Steuergeldern vollgestopft. Nun kam, was kommen musste, wenn das Militär in Afrika nicht aus Phantomsoldaten, deren Sold von den Generälen eingestrichen wird, besteht, sondern halbwegs ausgebildet wird: Es putscht, weil es glaubt besser regieren zu können und es selbst an die Futtertröge will.

Von genau gezählten 214 Putschversuchen seit der Unabhängigkeitswelle in den 1960er-Jahren in Afrika gelang genau die Hälfte. So übernahm General Tchiani, passenderweise Chef der Präsidentengarde, die Macht und stellte Präsident Bazoum in seinem Palast unter Hausarrest.

Der Autor

Albrecht Rothacher (* 1955 in Erlangen). 1984 bis 2020 im diplomatischen Dienst der EU, auf Posten in Wien, Tokio, Singapur und Paris. Zuletzt Leitender Verwaltungsrat im Russland-Referat des EAD in Brüssel.

Längst waren im benachbarten Mali die dortige UNO-Militärmission Minusma und die französische Operation Berkhane von den Maliern zugunsten von russischen Wagner-Söldnern ausgeladen worden, die, statt Menschenrechtslektionen zu erteilen wie die Europäer, zuschlagen, foltern und plündern.

Die Regierung in Berlin, wollte die Realitäten in der Region nicht wahrhaben. Die Bundeswehr investierte in Niger allein 50 Millionen Euro in ein Feldlazarett, neue Start- und Landebahnen in Niamey, Waffen, Munition und Fahrzeuge – ja selbst in die Ausbildung von Kampftauchern im Wüstenland ohne Küste.

Geiselnahmen, Drogentransit

Tatsächlich gibt es in der gesamten subsaharischen Sahelzone vom Senegal über Mali, Niger, Burkina Faso (früher Obervolta), den Norden Nigerias und Benins (vormals Dahomey), über Zentralafrika, den Tschad bis in den Südsudan Dauerkriege zwischen islamischen Nomaden – hellhäutigen Berbern und Tuareg zumeist – und den schwarzen, zumeist christlich-animistischen Ackerbauern um Wasser und Weidegründe.

Das Geschäftsmodell der gut bewaffneten separatistischen Räuberbanden des Nordens ist recht einfach und hat sich seit der Kolonialzeit kaum verändert. Sie finanzieren sich wie die Boko Haram mit Lösegeldzahlungen; weiße Entwicklungshelfer aus Europa als Geiseln sind dabei besonders lukrativ.

Wichtiger noch ist in Westafrika der Drogentransit aus Lateinamerika und in Ostafrika aus Afghanistan, sowie natürlich der von den offenen EU-Grenzen beförderte Menschenhandel durch die Sahara. Dazu kommen Schutzgelderpressungen bei den Bergwerken für Uran (Niger), Gold (Burkina Faso) und Diamanten (Zentralafrika), die sich die örtlichen Regimes ebenfalls von Wagner-Söldnern schützen lassen.

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Autobomben, Enthauptungen, Massaker in Schulen, Kirchen, Hotels und von Hochzeitsgesellschaften geben den Forderungen Nachdruck. Je nach Gusto verbinden sich diese Banden und Klans mit al-Qaida oder mit dem Islamischen Staat – nicht zuletzt auch, um Geld und Waffen aus dem Nahen Osten zu lukrieren. Die Terrornetzwerke reichen bis in den Osten Kongos und über Uganda und Kenia bis in die Erdgasregion Cabo Delgado im Norden Mosambiks.

Aberwitzige Geburtenraten

Ursächlich für den überregionalen Gewaltausbruch sind die aberwitzigen Geburtenraten Schwarzafrikas, einer absolut vorhersehbaren Zeitbombe. In Niger, einem Steppenland, das seine 25 Millionen Einwohner nicht mehr ernähren kann, gebärt jede Frau ab dem Alter von 14 Jahren über sieben Kinder. Die Einwohnerzahl Nigerias hat sich seit der Unabhängigkeit 1960 trotz des Bürgerkriegs um Biafra auf 200 Millionen vervierfacht; 2100 wird Nigeria nach UNO-Schätzungen mit 640 Millionen Einwohnern der drittgrößte Staat der Welt sein.

Die USA haben sich seit der Präsidentschaft Donald Trumps (2017–2021) aus Afrika weitgehend zurückgezogen. Frankreich irrt unter Emmanuel Macron in seinem einstigen Kolonialreich zwischen Sühnebekenntnissen und humanitären Interventionen irrlichternd umher. Russland bemüht sich, wie der jüngste Afrika-Gipfel in St. Petersburg zeigte, ebenfalls um verstärkten Einfluss, schickt robuste Söldner-Scharen und versucht mit sozialem Konservatismus zu punkten, hat jedoch wirtschaftlich nichts zu bieten. Bleibt China.

China liefert ohne politisch-moralische Auflagen gegen knallhart besicherte teure Kredite genau das, was den örtlichen Autokraten gefällt: Paläste, Flughäfen, Prunkstadien, Autopisten, eine verlässliche Geheimpolizei und eine schmucke Palastwache. Dafür erhält es Militärbasen und koloniale Rohstoffkonzessionen – von Kupfer in Sambia bis zu Kobalt im Kongo.

Da Schuldenerlass nach westlichem Muster nicht zum chinesischen Repertoire gehört, verlangt die örtliche Misswirtschaft und Korruption auch bei den Chinesen ihren Tribut. Trotz aller Besicherungen dürften sie ihre Kredite für Gabun, Benin, Ghana, Tansania und Sambia wohl abschreiben müssen. Wie in vielen Seidenstraßenprojekten hat die KP-Führung in Peking in ihrem Größenwahn wohl die Risiken unterschätzt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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