Liberal betrachtet

Politik ist auch ein ständiger Kampf um die Sprache

Die Methoden der Demagogie haben sich im Lauf der Geschichte nicht verändert. Wer die politische Lufthoheit gewinnen will, sollte sich einer klaren Sprache bedienen.

Sprache kann nicht nur der Verständigung dienen, sondern auch der Verwirrung. Das steht schon in der Bibel. Sprache ist ein wichtiges Instrument in der Politik. Sie kann mit der Wählerschaft verbinden, sie kann aber auch trennen. Als sich Niederösterreichs Landeshauptfrau neulich für die Normalbürger stark machte, brandmarkte sie der Vizekanzler als präfaschistoid. Wenn er nicht gerade koglerisch spricht, sucht er mit Überspitzungen den Weg in die Öffentlichkeit. Und findet ihn auch immer wieder.

Die Reaktionen waren erwartbar: Weder entwickelte sich eine Frauensolidarität, die unter anderen Vorzeichen spontan organisierbar gewesen wäre, noch mahnte irgendeine moralische Autorität den Vizekanzler zur sprachlichen Abrüstung. Flegeleien von grüner Seite scheinen gegen jede Tugendmahnung immun zu sein.

Dr. Georg Vetter (*1962) ist Anwalt und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Er war Mitglied des Teams Stronach, wechselte 2015 in den ÖVP-Parlamentsklub und schied 2017 endgültig aus dem Nationalrat aus.

Was folgte, waren diffuse Stellungnahmen von allen Seiten darüber, was nicht normal oder schon normal sei. Das Wort abnormal vermied man – ausgenommen dann, wenn es dem politisch Andersdenkenden unterschoben wurde. Es lebe die wechselseitige Demütigung und Provokation. Dass jene, die in ihrer Angriffslustigkeit weit über das Ziel schießen, dem politischen Gegner die Räuberleiter machen, merken sie gar nicht. Während das Schlechte an sich selbst zugrunde geht, geht das Gute wieder einmal an Übertreibung zugrunde. Das gilt gerade dann, wenn die Gegenseite mit der Inbrunst der Empörung verteufelt wird.

Verwirrung, Umwertung der Werte, semantische Brunnenvergifterei, überschießende Aggressivität, persönliche Beleidigungen: Die Methoden der Demagogie haben sich im Lauf der Geschichte nicht wirklich verändert. Mit dieser Taktik arbeiten nicht nur weite Teile der Politik, sondern auch Branchen, die sich für ihre Kommunikationsexzesse gut bezahlen lassen.

Was Werner Kogler mit präfaschistoid gemeint haben mag, wurde nicht ausdiskutiert. Vielleicht war seine assoziative Rhetorik auf die sogenannten Austrofaschisten gerichtet. Irgendwie faschistisch eben, das muss hängenbleiben. Auch für Kogler ist die Grenze seiner Sprache die Grenze seiner Welt.

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Sich niveauvoll der deutschen Sprache zu bedienen, kommt beim heutigen politischen Personal eher zu kurz. Wenn das Gendern selbst in wissenschaftsnahen Werken einen höheren Stellenwert zu haben scheint als der Unterschied zwischen Genitiv und Dativ, bleibt die linguistische Exzellenz auf der Strecke. Übrigens: Warum verzichten auch die sich fortschrittlich gebenden Zeitungen auf das Gendern? Ganz einfach: Sie wollen gelesen werden.

Das banale Motiv, verstanden zu werden, sollte auch die modernen Politiker leiten. Sie sollten sich einer klaren Sprache bedienen. Wenn sie die Lufthoheit in der täglichen politischen Auseinandersetzung gewinnen wollen, müssen sie den Kampf um die Begriffe und deren Bedeutungsinhalt führen. Politische Rhetorik braucht keinen plebejischen Anstrich, um erfolgreich zu sein. Selbst bei linguistischen Modewörtern schätzt das Publikum das erkennbare sprachliche Profil mehr als den nebulosen Herdentrieb des Durchschnitts. Denn auch hier gilt, was schon Stefan Zweig so ausgedrückt hat: Das Normale gibt der Welt ihre Stabilität – und das Außergewöhnliche ihren Reiz.

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