Schweizer Aktienmarkt hängt Leitindizes ab

Schweizer Aktienmarkt haengt Leitindizes
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In diesem Jahr haben sich nur zwei Aktienmärkte wirklich gut entwickelt – der Schweizer SMI ist einer davon. Die Eidgenossen haben einige Investmentperlen zu bieten.

Wien. „Schweizer Aktien locken“– das wusste schon „Die Zeit“ im Jahr 1967 zu berichten. Und auch heute, rund 46 Jahre später, dürfte sich daran nicht allzu viel geändert haben.

Denn der Schweizer Leitindex SMI hat bereits am ersten Handelstag dieses Jahres die Marke von 7000 Zählern geknackt. Seither ist der Index um 15 Prozent gestiegen. Der SMI hat den anderen Aktienmärkten damit einiges voraus: Während er kräftig zulegte, bewegten sich viele andere Börsenplätze bloß seitwärts. Einzig der US-Aktienmarkt tat es den Eidgenossen gleich – und kletterte.

Anleger haben die Schweiz also offenbar neu entdeckt, unabhängig davon, wie anonym der Bankenplatz Schweiz noch ist. Ein leicht positives Wirtschaftswachstum, keine Anzeichen einer steigenden Inflation und politische Unsicherheiten im Rest Europas würden zu vermehrten Geldflüssen in die Schweiz führen, sagt Fondsmanager Werner Hohl von Pioneer Investments. Mit einem erwarteten Wachstum von 1,3 Prozent zählen die Eidgenossen zu einem der stärkeren Länder Europas.

Eine andere Erklärung hat Ralf Rybarczyk von DWS Investments parat: Die USA wie auch die Schweiz sind international geprägt. Soll heißen: Eine Bandbreite verschiedener Sektoren sowie großer und global aufgestellter Unternehmen spreche für die Attraktivität des Kapitalmarktes.

Zurzeit sind es vor allem internationale Großkonzerne wie Roche oder Novartis, deren Aktien (nahezu) täglich teurer werden. Steigt ihr Wert, dann lässt das auch den SMI nicht kalt: Defensive Werte wie Nestlé, Novartis und Roche zählen mit einem Anteil von rund 60 Prozent nämlich zu den übermächtigen Indexschwergewichten.

Zum Vergleich: An der Wiener Börse geben mit Erste Bank, Raiffeisen International und Vienna Insurance vor allem Finanzwerte den Ton an. Sie machen rund 30 Prozent des Index aus. In einer Zeit, als Finanzwerte abgestraft wurden, fiel auch der ATX stark. Erholen sich diese Titel, kann auch der ATX profitierten.

Investoren wollen Bluechips

Dass in der Schweiz vor allem Bluechips gefragt sind, hat laut Allianz-Global-Investors-Fondsmanager Jörg de Vries-Hippen vor allem zwei Gründe. Der erste lautet: „Ein Großteil der Investoren hat nicht die Kapazitäten, sich tief in den Markt hineinzuarbeiten.“ Der andere: Investoren fragen vor allem liquide Titel nach, damit sie sich so schnell wie möglich aus Investments zurückziehen können. Kleinere Firmen stehen oft nicht im Fokus von Analysten und Anlegern. Informationen über sie zu erhalten ist daher oft nicht so einfach. Abgesehen davon werden kleinere Werte auch in geringeren Volumina gehandelt.

Höhere Dividendenrendite

Ein Vorteil der helvetischen Paradeunternehmen ist freilich auch, dass ihre Abhängigkeit von Europa kaum mehr besteht. Von den 92 Mrd. Franken, die der Konsumgüterkonzern Nestlé 2012 umgesetzt hat, kamen rund 31 Prozent aus Nord-und Südamerika, 21 Prozent aus Asien, Ozeanien und Afrika. Bei Roche verhält es sich ähnlich: Die Umsätze des Pharma-Segments stammen zu 39 Prozent aus den USA, lediglich ein Fünftel wird in Westeuropa erzielt.

Jörg de Vries-Hippen gibt allerdings eines zu bedenken: „Es wird zurzeit nicht unbedingt das gekauft, was billig ist, sondern das, was man kennt. Auch wer die Rendite-Erwartungen aus der Vergangenheit erfüllt hat, steht in der Gunst der Anleger oben.“ Gerade institutionelle Investoren müssten sich zudem in einem geringeren Ausmaß rechtfertigen, wenn sie zu Großkonzernen greifen. Gerade jetzt, da die Zinsen auf dem Kapitalmarkt einen Tiefstand erreicht haben, sind Sparbücher oder Staatsanleihen schon lange keine echte Alternative mehr. Denn nach Abzug der Inflation bleibt Anlegern kaum etwas übrig. Daher wird allerorts auf Aktien gesetzt. „Warum soll ich eine spanische Anleihe kaufen, wenn ich bei Nestlé eine Dividendenrendite von über drei Prozent erhalte?“, sagt Ralf Rybarczyk von DWS. Während die Dividendenrendite im SMI rund 3,1 Prozent beträgt, erreicht sie im ATX 2,8. Der Dow Jones liegt mit 2,44 Prozent darunter. Zum Vergleich: Für zehnjährige deutsche Staatsanleihen, die in Europa richtungsweisend sind, erhält man 1,2 Prozent.

Nicht mehr ganz billig

Doch kann die bisherige Rallye des Schweizer Marktes noch weitergehen? Werner Hohl zufolge hat der Markt noch Potenzial. Vor allem langfristig sei es noch nicht zu spät, um einzusteigen. Glaubt man de Vries-Hippen, habe man langfristig überhaupt gar keine andere Alternative, als in Aktien zu investieren, um reale Renditen zu erzielen. Spottbillig sind helvetische Papiere allerdings nicht mehr: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des SMI liegt mittlerweile bei rund 20. „Billig kaufe ich in der Schweiz nicht“, sagt de Vries-Hippen. Doch sehe man sich die Risikoprämie im Vergleich zu Renditen deutscher Anleihen an, dann „sind Aktien historisch gesehen noch immer günstig“.

Wem Einzelinvestments zu riskant sind, der kann sein Geld freilich auch Schweizer Aktienfonds anvertrauen. Sie werden von vielen großen Gesellschaften (Allianz, Fidelity, DWS, Pioneer usw.) angeboten. Die meisten von ihnen kommen aber ohnedies nicht ohne die großen Konzerne aus.

Währungsgewinne einstreifen

Einen Effekt könnte die Veranlagung im Nachbarland auch haben: Die Schweizer Notenbank hat zwar im Herbst 2011 angekündigt, den Euro nicht mehr unter 1,20 Franken fallen zu lassen. Sollte sie aber von dieser Politik abrücken, könnte der Franken stark aufwerten. Das wäre unangenehm für Kreditnehmer, hätte aber positive Auswirkungen für Investoren, die Schweizer Aktien halten. Sie können neben etwaigen Kursgewinnen auch noch Währungsgewinne einstreifen. Wer jedoch dann erst Schweizer Aktien kaufen will, muss tiefer in die Tasche greifen.

Schweizer Aktienmarkt haengt Leitindizes
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Auf einen Blick

Der Schweizer Aktienmarkt hat sich in diesem Jahr im Vergleich zu anderen Börsenplätzen gut entwickelt. Vor allem internationale Großkonzerne wie Roche oder Novartis werden von Investoren nachgefragt. Doch der Leitindex SMI ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 nicht mehr ganz billig. Andererseits: Aktien erscheinen im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Anleihen oder Sparbüchern überaus attraktiv, weil sie weit höhere Renditen bieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2013)

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