Syrien wertet Angriff als „Kriegserklärung“

Syrien wertet Angriff als „Kriegserklärung“
Syrien wertet Angriff als „Kriegserklärung“(c) EPA (SNN HANDOUT)
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Die Luftwaffe flog am Sonntag einen Angriff auf ein Ziel nahe Damaskus, der zweite binnen 48 Stunden. Ziel waren offenbar Raketen für die Hisbollah. Die Angst vor Vergeltung wächst.

Jerusalem. Diesmal fiel die syrische Reaktion harsch aus: Man werte den neuerlichen israelischen Luftangriff als „Kriegserklärung“, sagte Vize-Außenminister Faisal al-Mekdad dem US-Sender CNN. Die Attacke stelle eine Allianz der islamistischen Aufständischen mit Israel dar. Syrien werde zur gegebenen Zeit antworten. Informationsminister Omran Zoabi sagte, nun sei die „Tür zu allen Möglichkeiten offen“.

Nur Stunden zuvor hatten israelische Kampfflugzeuge ein Ziel nahe Damaskus angegriffen. Es war der zweite Angriff auf syrisches Territorium binnen 48 Stunden. Wieder galt er angeblich einem Waffentransport an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah.

Aus Sorge vor Vergeltungsschlägen sperrte Israel den Luftraum im Norden des Landes für Passagierflugzeuge. Zudem postierte die israelische Armee mehrere Raketenabwehranlagen. "Die Häufigkeit der Angriffe erhöht das Risiko einer Reaktion“, meint Amos Harel von der Zeitung „Haaretz“. Möglich ist auch, dass die Hisbollah nicht mit Raketen auf Israel schießt, sondern die Angriffe mit Terroranschlägen gegen jüdische Einrichtungen in einem Drittland rächt.

Raketen mit hoher Reichweite

Aus dem Libanon hatte es am Sonntag zunächst Berichte gegeben, dass ein Waffenlager und ein Luftwaffenzentrum in Damaskus getroffen worden seien. In Syrien sprach man von einem militärischen Forschungszentrum. „Der neue Angriff ist ein Versuch, die Moral der terroristischen Gruppen aufzubauen“, hieß es im syrischen Fernsehen.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, wandte sich das syrische Außenministerium in einem Schreiben auch an den UN-Sicherheitsrat und an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Wenn Israel seine Angriffe fortsetze, werde das die Spannungen in der Region erhöhen, zitierte Sana aus dem Brief. Dies könne zu einem Krieg führen, der Frieden und Sicherheit in der Region wie auch auf der ganzen Welt bedrohe. Der UN-Sicherheit müsse nun seiner Verantwortung gerecht werden und die israelischen Angriffe stoppen.

Der Iran rief die Staaten der Region auf, eine Front gegen Israel zu bilden. An ein militärisches Eingreifen denkt man in Teheran aber offenbar nicht: Syrien könne sich selbst verteidigen, hieß es seitens der Armee, man könne aber mit Ausbildung behilflich sein. Die Arabische Liga warnte ebenfalls vor ernsten Konsequenzen für die Region. "Das ist ein ernster Verstoß gegen die Souveränität eines arabischen Landes", sagte Generalsekretär Nabil al-Arabi mit Blick auf die Luftschläge. Die regionale Sicherheit und Stabilität werde dadurch massiv gefährdet. Auch er forderte die Vereinten Nationen zum Handeln auf. Ägypten verurteilte die israelischen Luftangriffe als "Aggression" und Verstoß gegen internationales Recht.

Israel will nicht hineingezogen werden

Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs hielten sich die Minister in Jerusalem eigentlich mit peinlicher Sorgfalt an die Vorgabe, die blutigen Vorgänge beim Nachbarn nicht zu kommentieren. Jede Einmischung könnte kontraproduktiv sein. Kein Syrer wünscht sich offene Sympathie vonseiten des „zionistischen Feindes“. Ebenso reagierte die israelische Armee mit Bedacht auf die syrischen Kugeln, die sich mehrmals auf den besetzten Golan verirrt hatten. Israel will nicht in den Bürgerkrieg hineingezogen werden.

Das Problem mit den Langstreckenraketen „Fatach 110“, die iranischen Ursprungs sind und sich offenbar in dem gestern getroffenen Transport befanden, ist nicht nur die Reichweite, sondern ihre Treffsicherheit. Die Rakete kann bis zu einer halben Tonne Sprengstoff transportieren. Israel, so kündigte Verteidigungsminister Mosche Jaalon vor Wochen an, werde verhindern, dass moderne Waffen in die Hand des Feindes geraten.

Während sich Premier Benjamin Netanjahu nicht zu den Angriffen äußerte, lobte Amos Yadlin, Ex-Chef der militärischen Abwehr, im Armeeradio das „hohe Niveau des Nachrichtendienstes und der militärischen Fähigkeiten“. Iran und die Hisbollah verletzten die UN-Resolution, die den israelisch-libanesischen Krieg vor knapp sieben Jahren beendete, und die festhält, dass die Hisbollah entwaffnet werden soll und auch in Zukunft keine Waffen geliefert werden dürfen.

Angst vor C-Waffen in Hand der Rebellen

Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Wochen auch der Einsatz von C-Waffen. Nach Schätzung des israelischen Abwehrdienstes verfügt Syrien über 1000 Tonnen davon, darunter Sarin und VX. Israels Sorge gilt der Möglichkeit, dass das Giftgas in die falschen Hände gerät. Für Verteidigungsminister Jaalon gehören neben dem „Transfer moderner Waffen an Schurkenstaaten“ und der Verletzung von Israels Souveränität auch „chemische Waffen in den Händen der Rebellen“ zu den roten Linien Israels.

Auf einen Blick

Die israelische Luftwaffe griff am Sonntag in den frühen Morgenstunden erneut ein Ziel in Syrien an. Es handelte sich dabei angeblich um einen Transport von Raketen mit hoher Reichweite und hoher Treffsicherheit, der an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah gehen sollte. Die Hisbollah ist ein Erzfeind Israels, im Sommer 2006 führte man zuletzt Krieg gegeneinander. Israels große Sorge ist es, dass die Hisbollah bei einem Zerfall Syriens in den Besitz schlagkräftiger Waffen aus dem Besitz des Assad-Regimes kommt. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

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