Golf von Bengalen: Millionen auf Flucht vor Wirbelsturm

Golf Bengalen Millionen Flucht
Golf Bengalen Millionen Flucht(c) Reuters (Soe Zeya Tun)
  • Drucken

Zyklon "Mahasen" traf am Donnerstag die Küste Bangladeschs und sorgte für Chaos. Volksgruppe in Burma fürchtet Vertreibung.

Die Anrainer des Golfs von Bengalen standen auch am Donnerstag im Bann des Wirbelsturms „Mahasen“. Er erreichte den Nordrand des zwischen Indien und Burma gelegenen Seengebietes und schwächte sich beim Auftreffen auf die Küste Bangladeschs immerhin deutlich ab, auf Böen von „nur“ noch etwa 100 km/h. Allerdings liegt der Großteil Bangladeschs nur knapp über dem Meeresspiegel und die Infrastruktur ist schlecht, daher können Sturmfluten auch bei moderaten Winden noch im Landesinneren große Schäden anrichten.

Im südwestlichen Patuakhali-Distrikt zeigte sich das bereits am Mittwoch: Dort hatten Ausläufer des Sturms Flutbarrieren zerstört, rund zwei Dutzend Dörfer wurden überflutet, viele Häuser zerstört. Reporter berichteten über Überschwemmungen von mehr als eineinhalb Metern. Entlang weiter Teile der nördlichen Golfküste haben die Behörden die Gefahrenstufe erhöht. Vielerorts wird eine bis zu drei Meter hohe Sturmflut befürchtet, die große Gebiete unter Wasser setzen könnte.

Erinnerung an Superstürme

Vor allem in den Häfen der Städte Chittagong und Cox's Bazar nahe der Grenze zu Burma wurden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Etwa eine Million Menschen bekamen den Befehl, sich von den Küstengebieten zu entfernen. Die UNO hat gewarnt, dass etwa 8,2 Millionen Menschen in Bangladesch, Burma und Nordostindien von dem Zyklon betroffen sein könnten. In der Region wurden zahlreiche Schulen, Hochschulen und Hotels zu Notunterkünften erklärt, vielfach haben sich in diesen schon vor Eintreffen des Sturms viele Menschen gedrängt. Vor allem den Älteren dürfte noch in Erinnerung sein, was im April 1991 geschah: Da hatte ein enormer Zyklon der maximalen Stärke fünf die Küste Bangladeschs mit Windgeschwindigkeiten von 260 km/h getroffen. Der Supersturm verursachte eine sechs Meter hohe Flutwelle. Die Sicherheitsvorkehrungen der Behörden waren damals äußerst mangelhaft, geschätzte Opferzahl: 138.000 Tote, dazu zehn Millionen Obdachlose.

Etwa genauso viele Menschen starben 2008 in Burma durch Zyklon „Nargis“. Das Militärregime hatte es versäumt, Sicherheitsvorkehrungen für die betroffenen Gebiete zu treffen. Danach ließen die Generäle wochenlang keine internationale Hilfe ins Land.

Muslimvolk in Gefahr

Die größte Sorge gilt jetzt erneut den Menschen in Burma. Genauer: Mehreren zehntausend Mitgliedern der Rohingya-Ethnie, die in Flüchtlingslagern entlang der Küste leben. Die Rohingya sind überwiegend Muslime und ethnisch mit den Bengalis verwandt, besitzen aber eine eigenständige Kultur und Sprache. Mitglieder dieser Ethnie leben seit hunderten Jahren in der Region. Burma sieht in ihnen jedoch illegale Einwanderer aus Bangladesch und erkennt sie nicht als Staatsbürger an.

Auch viele Mitglieder der Sicherheitskräfte sind gegenüber dieser Ethnie offen feindselig. Als es 2012 zweimal zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Rohingya gekommen ist, haben Polizisten und Soldaten die zumeist buddhistischen Randalierer Berichten zufolge einfach gewähren lassen. In einigen Fällen sollen sich Sicherheitskräfte sogar an Gewalttaten beteiligt haben. Dutzende Dörfer und Stadtteile, in denen Rohingya gelebt haben, wurden zerstört.

„Die Leute haben Angst“

Das erklärt, warum sich in den vergangenen Tagen viele Rohingya, die sonst ihre Flüchtlingslager meist nicht verlassen dürfen, geweigert haben, sich von dort fortbringen zu lassen. „Die Polizisten steigen in Kampfausrüstung aus den Lkw und die Leute haben große Angst“, sagte ein Helfer einem Reporter des Exil-Fernsehsenders Democratic Voice of Burma (DVB). „Wir haben versucht, die Menschen davon zu überzeugen, dass der Sturm kommt und viele vor Ort nicht überleben könnten, aber sie sagen, sie möchten das Risiko eingehen.“ Die Rohingya hätten weniger Angst vor dem Sturm als vor den Behörden. Zudem fürchten sie, außerhalb der Lager keine Unterkünfte mehr zu finden und obdachlos zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.