Die Bawag und das nicht geknackte Schweigekartell

Für den Steuerzahler hat der Bawag-Skandal keinen Schaden hinterlassen, für die politische Hygiene im Land schon: Zu vieles wurde unter der Decke gehalten.

Die Akte Bawag ist also geschlossen: Die Prozesse um die seinerzeit wild spekulierende Gewerkschaftsbank, die in der Karibik untergegangen ist und beinahe ihren damaligen Eigentümer ÖGB mit in die Tiefe gerissen hat, sind abgeschlossen. Alle Verurteilungen sind rechtskräftig. Bitte weitergehen, hier gibt es nichts mehr zu sehen!

So hätten sie es wohl gern. Aber so einfach ist die Sache nicht. Sicher: Juristisch ist der Fall „gegessen“. Aber zwischen den zugeklappten Aktendeckeln strömt noch immer ein sehr strenger Geruch hervor: Der Fall Bawag ist zwar abgeschlossen, aber keineswegs aufgearbeitet. Er wird wohl als einer jener unrühmlichen Fälle in die österreichische Wirtschafts- und Justizgeschichte eingehen, in dem alle Beteiligten offenbar vom Wunsch beseelt waren, die Sache möglichst oberflächlich zu Ende zu bringen und nur ja nicht in die entscheidenden Ecken hineinzuleuchten.

Zum Beispiel in jene, in der die angeblich verzockten 1,4 Bawag-Milliarden liegen. Diese sind unauffindbar. Festplattencrash bei einem jetzt rechtskräftig Freigesprochenen, Sie verstehen. Kleintransaktionen von nicht einmal ganz eineinhalb Milliarden Euro sind nun einmal ohne Back-up nur auf einem einzigen Laptop dokumentiert, weiß doch jeder.

Es ist jetzt müßig, darüber zu spekulieren, was man einem Richter, der so etwas glaubt, noch so alles erzählen könnte: Roma locuta, causa finita! Halten wir also ganz trocken fest: Niemand war daran interessiert, was mit dem Geld geschehen ist und was auf der amerikanischen Seite des damaligen Bawag-Refco-Spekulationsgeflechts gelaufen ist. Das Gericht nicht, der frühere Eigentümer ÖGB nicht, die Aufsichtsbehörden nicht und auch die Staatsanwaltschaft nicht, die zuletzt ja auf mögliche weitere Rechtsmittel verzichtet hat.

Seltsam, seltsam, aber es geht uns genau genommen auch nichts an. Denn die Bawag-Sanierung war die letzte Rettung einer systemrelevanten Großbank, die ohne massiven Verlust von Steuerzahlergeld abgelaufen ist. Genau genommen haben die Steuerzahler dadurch keinen Cent verloren, so sie nicht gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder waren. Zwar hatte die Regierung seinerzeit einer zeitlich befristeten Garantie zugestimmt. Diese musste aber, weil der Verkauf der Bank an die Cerberus-Gruppe genügend Cash in die Kassen brachte, nicht gezogen werden.

Auf der Strecke blieb lediglich der Streikfonds des ÖGB (das war die Bawag nämlich), verzockt wurden die Mitgliedsbeiträge der Gewerkschaftsmitglieder. Der ÖGB ist ein privater Verein - wozu sich also aufregen, wenn das die echt geschädigten Mitglieder selbst nicht tun? Ihnen hat man die Pleite „ihrer“ Bank ja erfolgreich als neoliberale Intrige verkaufen können, in die die biederen Gewerkschaftsbanker getappt sind.

Bleibt das Faktum, dass durch den Skandal eine weitere österreichische Großbank in Auslandsbesitz geraten ist. Aber das war das Schicksal des gesamten SPÖ-nahen Bankensektors. Gegen das, was seinerzeit beim Verkauf der Bank Austria an die deutsche HVB abgelaufen ist, war die Übertragung der Bawag an den amerikanischen Hedgefonds rückblickend eine hochprofitable Angelegenheit. Und, ganz nebenbei, jetzt wird das Institut wenigstens professionell geführt. Und nicht auf Basis von gewerkschaftsbeaufsichtigten Vater-Sohn-Geschäften auf karibischen Eilanden.

Kurz und gut: Gegen das, was auf die Steuerzahler später durch Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit und ÖVAG zukam, war der Fall Bawag die berühmte Lercherlflatulenz. Zumindest, was den finanziellen Schaden für die nicht dem Verein ÖGB angehörigen Staatsbürger betrifft.

Wirklich schlecht ist das Ganze für die politische Hygiene im Land. Denn das politische Schweigekartell, das um den Fall aufgebaut wurde, wird noch lange für Gerüchte sorgen. Natürlich: Es macht keinen schlanken Fuß, würden Parteien versuchen, Einfluss auf ein unabhängiges Gericht zu nehmen. Aber die Staatsanwaltschaft ist eine weisungsgebundene Behörde. Mithin trägt die Justizministerin eine ordentliche Portion Mitschuld daran, dass in diesem Wirtschaftskriminalfall so vieles für immer unter der Decke bleibt.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2013)

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