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Bei Daft Punk menschelt es wie nie zuvor

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Mit »Random Access Memories« erinnern die Franzosen an die gute alte Zeit des Disco.

„Warum wird immer noch die interessantere Musik auf hoffnungslos veralteten Instrumenten gemacht?“ Brian Eno, der diese Frage jüngst rein rhetorisch bei einer Musikkonferenz stellte, weiß es: „In der Maschinenmusik gibt es einfach zu viele Optionen, um in den Modus des Spielens zu kommen.“ Das französische Roboterduo Daft Punk scheint eine ähnliche Anschauung entwickelt zu haben. Auf ihrem vierten Album menschelt es wie niemals zuvor. Disco-Urgestein Nile Rodgers fasst zusammen: „They went back to go forward.“

Daft Punks Zurück führt in das Jahr 1979, als kleinfamilienhausgroße Synthesizer und ganze Orchester in den Dienst der Discokugel gestellt wurden. Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo, die Protagonisten hinter den Robotermasken, haben ihre House-Tracks immer schon gern mit Disco-Sounds aromatisiert. Der Vocoder nahm schon bei ihrem Welthit „One More Time“ eine Schlüsselrolle ein. Jetzt wollten die beiden mehr vom organischen Stoff. Statt die Gehörgänge mit Samples zu kitzeln, luden sie illustre Gäste aus vielen Genres und sogar ein echtes Orchester ins Studio.

Neben so unterschiedlichen Zeitgenossen wie Pharrell Williams, Julian Casablancas und Chilly Gonzales waren es vor allem die Disco-Ikonen Giorgio Moroder, Paul Williams und Nile Rodgers, die dem herrlich verspielten Werk Charakter verliehen. „Ich hatte das Gefühl, es wäre auf ewig vier Uhr früh morgens. Wärme, eine leichte Brise und pfirsichfarbener Himmel“, sinnierte Pharrell Williams nach seinen Gesangseinsätzen. Selbstverständlich haben die beiden Disco-Revisionisten auch beim Labellogo daran gedacht, genau jenes CBS-Logo zu verwenden, das im Jahr 1979, dem Höhepunkt von Disco, die Platten zierte. Das flockige Eröffnungsstück „Give Life Back to Music“ wird von einem delikaten Single-Note-Gitarrengroove von Nile Rodgers getragen, wie er ihn einst auch für seine Disco-Combo Chic einsetzte. Die Programmatik ist klar. Man wollte die Grenzen von Digitalem und Analogem möglichst lässig verschwimmen lassen.

Disco im Blut.Daft Punk haben den Disco im Blut. Bangalters Vater Daniel Vangarde war in den Siebzigern ein bekannter Produzent, der Hits wie „D.I.S.C.O.” von Ottawan mitkreierte. Daft Punk haben den Disco auch im Gehirn. Ihr biologischer RAM-Speicher beschwört die guten alten Zeiten, die sie sich selbst nun retrospektiv zusammenbauen.

Giorgio Moroder, der mit seinen Produktionen für Donna Summer („Love to Love You Baby“, „I Feel Love“) in den Siebzigern neue Standards für Tanzmusik setzte, referiert in „Giorgio By Moroder“ mit rührendem Akzent über die heute so gern idealisierten Anfänge der Electronic Dancemusic. Und Paul Williams, Schöpfer der epochalen „Love-Boat“-Kennmelodie und Schauspieler in Brian de Palmas bizarrem „Phantom im Paradies“, das Daft Punk überhaupt erst auf die Idee brachte, sich zu maskieren, singt auf dem epischen „Touch“ mit Vocoder-verfremdeter Altmännerstimme die essenzielle Botschaft: „If love is the answer, you're home.“ Die Idee des permanenten musikalischen Fortschritts halten Daft Punk für längst antiquiert. „Die Gleichsetzung von Elektronikmusik und Fortschritt ist eine Illusion“, befand de Homem-Christo kürzlich.

Und so setzen Daft Punk in ihrem Streben nach Glück auf Kontinuität. Die Ekstase wird selbstverständlich in der Disco, dem quintessenziellen Tempel der Hedonisten, gefunden: „We're up all night to get lucky.“ So war's immer, so wird's immer sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)

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