Der Klimawandel kommt schwächer als bisher befürchtet

Klimawandel
Klimawandel (c) EPA (Nasa Files)
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„Klimasensitivität“ gibt an, wie viel Wärme eine CO2-Verdoppelung bringt. Dieser zentrale Wert wurde nun hinunterkorrigiert.

Die Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre haben den Wert von 400 ppm (Teilchen pro Million) erreicht. Vor der industriellen Revolution waren es 280, und als der erste Mensch auf die Idee kam, kontinuierlich zu messen, fand er 313. Der Mann hieß Charles Keeling, viele hielten ihn für schrullig. Aber dann kam der Klimawandel bzw. die Sorge davor, Keelings Kurve wurde mit der Erwärmung gleichgesetzt, deshalb schrillte an der 400er-Schwelle Alarm.

Aber die CO2-Konzentrationen und die Temperatur laufen nicht parallel: Seit 1998 steht die Erwärmung still – auf hohem Niveau –, obwohl die CO2-Emissionen stiegen wie nie. Warum wird es dann nicht wärmer? Manche sehen die Ursache in den Meeren und/oder der Atmosphäre. Es könnte aber auch etwas ganz anderes sein, die „Klimasensitivität“. Die ist das Herzstück aller Klimaprognosen, sie gibt an, um wie viel Grad es wärmer wird, wenn die CO2-Gehalte der Luft sich verdoppeln.

Das ist kein gemessener Wert – man kann eine CO2-Verdopplung nicht beobachten –, er ist ein Konstrukt, ein Schätzwert. Und der wird von Schätzung zu Schätzung geringer: Der UNO-Klimabeirat IPCC geht von drei Grad aus (Schwankungsbreite: 2,0 bis 4,5); Daten der letzten Eiszeit deuteten vor zwei Jahren auf 2,3 Grad (1,7 bis 2,6); und nun kommt ein internationales Konsortium unter Alexander Otto (Oxford) auf zwei Grad (1,2 bis 3,9): „Die extremsten Erwärmungen, die in Simulationen gegenwärtiger Klimamodelle erscheinen, sind eher unwahrscheinlich“, schließen die Forscher (Nature Geoscience 19.5.).

Erwärmung lässt den Nordpol wandern

Aber auch wenn eine künftige Erwärmung so rasch nicht kommt, zeigt doch die bisherige – 0,8 Grad seit hundert Jahren – Folgen, auch eher bizarre: Der geografische Nordpol hat sich verschoben. Das tut er immer, weil er dort ist, wo die Erde um ihre Achse kreist, und weil es bei diesem Kreiseln leichte jahreszeitliche Unwuchten gibt; und das tut er auch in längerer Dauer immer, weil die Erdmassen sich verschieben. So zog der Nordpol – noch im Gefolge des Endes der Eiszeit – bis 2005 Richtung Nordkanada nach Süden, sechs Zentimeter im Jahr, dann bog er ab, gen Grönland. Warum es ihn nun dorthin zieht, hat Jianli Chen (University of Texas) an Satellitendaten bemerkt (Geophysical Research Letters, 14.5.): Die messen die Gravitation, sie zeigen, dass die Erde bei Grönland leichter geworden ist, durch das Abschmelzen der Gletscher. Und daran, an der geringsten Masse, orientiert sich ein Kreisel bzw. seine Achse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2013)

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