Bomber, Raketen, Kriegsschiffe: China hackt US-Waffensysteme

China hackt US-Waffensysteme
China hackt US-Waffensysteme(c) REUTERS (POOL)
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Der bisher größte Skandal um militärische Computerspionage überschattet das erste Gipfeltreffen der Präsidenten Obama und Xi.

Washington. Die Herstellung der modernsten und teuersten Waffen der amerikanischen Streitkräfte ist für Chinas Volksarmee dank umfassender Computerspionage ein mehr oder weniger offenes Buch. Laut einem bisher geheimen US-Regierungsbericht haben sich chinesische Hacker Zugang zu den Bauplänen der Waffensysteme sowie Typen von Flugzeugen, Hubschraubern und Kriegsschiffen verschafft, berichtete die „Washington Post“ am Dienstag.

Die Zeitung veröffentlichte die Liste der kompromittierten Waffensysteme. Auf ihr finden sich unter anderem der neue Kampfjet F-35 Joint Strike Fighter, der weitreichend eingesetzte Kampfhubschrauber Black Hawk UH-60, das in Planung befindliche Navy Littoral Ship (es soll künftig den US-Marines weltweite Landungen ermöglichen), das senkrecht startende Flugzeug V-22 Osprey und AEGIS, das Lenkwaffensystem, mit dem US-Kriegsschiffe feindliche Raketen abschießen können.

„Das sind Milliarden von Dollar an Vorteilen für China“, zitierte die „Washington Post“ einen anonymen hohen Funktionär des Pentagons. „Die haben sich somit 25Jahre an Forschung und Entwicklung erspart. Das ist verrückt.“

Schlampige Zuliefererfirmen

Der Bericht über diese bisher schwerste aufgeflogene Form chinesischer Militärspionage gegen die USA stammt vom Defense Science Board. Dieses Gremium aus privaten und militärischen Sicherheitsfachleuten berät die amerikanische Regierung in Fragen der Rüstungsforschung. Im Jänner hatte es eine öffentliche Version dieses Papiers vorgestellt. Damals warnte es nur davor, dass das US-Verteidigungsministerium nicht ausreichend für den Cyberkrieg gerüstet ist. Die Liste der gehackten Waffen und Technologien wurde damals nicht veröffentlicht.

Nach der übereinstimmenden Ansicht von Computerexperten und Militärfachleuten sind mangelnde digitale Einbruchssicherungen im Pentagon nicht das Hauptproblem. Vielmehr verschaffen sich die Computerspione über Zuliefererfirmen, die für die USA Waffen entwickeln und bauen, Zugang zu den Konstruktionsplänen. Seit Jahren beklagen die US-Generäle die Schlampigkeit führender Rüstungsfirmen wie Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und Northrop Grunman bei der Sicherung ihrer Computersysteme gegen Hackerangriffe. Der amerikanische Gesetzgeber ist dabei keine große Hilfe: Im vergangenen Jahr scheiterte der Versuch, die Regeln für die Vergabe von Rüstungsaufträgen so zu ändern, dass Firmen ihre lukrativen Verträge verlieren, wenn sie nicht ausreichende Schutzvorkehrungen treffen.

Gefälschte Teile in US-Waffen

Es ist kein Zufall, dass dieser heikle Bericht des Defense Science Board gerade jetzt an die Öffentlichkeit gelangt. In zwei Wochen kommen die Präsidenten der beiden Staaten, Barack Obama und Xi Jinping, in Kalifornien zu ihrem ersten Gipfeltreffen zusammen. Das Treiben chinesischer Computerspione sorgt in Washington für stetig wachsenden Zorn auf Peking.

Chinas Regierung wird in der Liste nicht ausdrücklich beschuldigt. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass die Volksarmee eine gut organisierte Einheit von Hackern befehligt, die vor allem von einem unscheinbaren Hochhaus in Shanghai aus weltweite Cyberattacken organisieren.

Und nicht nur chinesische Hacker bereiten den Amerikanern militärische Sorgen, sondern auch Produktpiraten. Im Mai 2012 stellten die Senatoren Carl Levin und John McCain einen Bericht vor, demzufolge in 1800 Fällen gefälschte Elektronik von chinesischen Lieferanten in US-Waffen gefunden wurde: vom größten Frachtflugzeug der Luftwaffe bis zum Stryker-Radpanzer.

Auf einen Blick

Die „Washington Post“ enthüllte am Dienstag, dass chinesische Hacker sich Zugriff zu den Bauplänen zahlreicher US-Waffensysteme verschafft haben. Die Chinesen haben unter anderem die Raketenabwehr, Kampfflugzeuge und Kommunikationssysteme der amerikanischen Luftwaffe und Marine ausspioniert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2013)

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