Putin-Gegner vor Gericht: "Prozess wie zu Stalins Zeiten"

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Zwölf Teilnehmern der Anti-Putin-Proteste drohen Haftstrafen von bis zu acht Jahren wegen Anstachelung der Massen und Gewalt gegen die Polizei.

In Moskau stehen seit Donnerstag in einem von Kritikern als Schauprozess bemängelten Verfahren zwölf Putin-Gegner vor Gericht. Den russischen Angeklagten, viele von ihnen erst zwischen 20 und 30 Jahre alt, drohen Haftstrafen von bis zu acht Jahren wegen Anstachelung der Massen und Gewalt gegen die Polizei. Die Angeklagten hatten im Mai vergangenen Jahres am Vorabend der Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt dagegen protestiert.

Die meisten von ihnen sitzen seitdem in Haft oder stehen unter Hausarrest. Zu Beginn der Anhörung vor dem eigentlichen Prozessbeginn kam es zu lautstarken Rufen von Unterstützern der Angeklagten im Gerichtssaal. Sie riefen: "Wir werden gewinnen."

Zehn der Angeklagten verfolgten den Prozessauftakt aus einem "Aquarium" genannten Glaskäfig, während zwei weitere, die derzeit nicht in Untersuchungshaft sind, im Gerichtssaal auf Bänken Platz nahmen.

Scharfe Kritik an Verfahren

Kritiker sehen das Verfahren politisch motiviert. "Dies ist ein Verfahren wie zu Stalins Zeiten", sagte Georgi Satarow, ein Vertrauter des früheren Präsidenten Boris Jelzin. Der prominente Oppositionelle Alexander Podrabinek sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Behörden versuchten nicht nur die Organisatoren, sondern auch einfache Teilnehmer von Massenversammlungen einzuschüchtern.

Der russische Oppositionelle und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow schloss aus Sorge vor der Justiz eine Heimkehr vorerst aus. Kasparow, der ebenfalls an den Protesten am 6. Mai teilgenommen hatte, sagte in einem am Donnerstag auf seiner Webseite veröffentlichten Video: "Ich habe ernste Zweifel, dass ich bei einer Rückkehr nach Moskau das Land wieder verlassen kann. Ich verzichte für den Moment darauf, nach Russland zurückzukehren." Er fürchte, wie andere Oppositionelle wegen seiner Teilnahme an Protesten vor Gericht gestellt zu werden, sagte Kasparow.

40 Polizisten verletzt

Bei der Putin-kritischen Versammlung am 6. Mai 2012 war es zu gewaltsamen Übergriffen gekommen. Die Angeklagten sagen, sie hätten sich lediglich gegen das brutale Vorgehen der Polizei gewehrt. Damals wurden 40 Polizisten verletzt. Die Polizei wirft den Demonstranten vor, diese hätten sie mit verschiedenen Gegenständen angegriffen.

Die folgenden Protestveranstaltungen erfuhren einen starken Zulauf, einerseits wegen der Wahlbetrugsvorwürfe nach der Parlamentswahl und andererseits wegen der Unzufriedenheit vieler Bürger über die Rückkehr Putins in das Präsidentenamt. Sie zählten zu den größten Demonstrationen in Russland seit langem. Putin schränkte wenig später das Demonstrationsrecht ein. Putin war von 2000 bis 2008 Präsident, dann Regierungschef und hatte im Mai 2012 die nächste Amtszeit als Präsident begonnen.

Putin selbst betont, die Menschen hätten das Recht, friedlich zu demonstrieren. Gewalt gegen die Polizei verurteile er aber auf das Schärfste. Die Proteste haben sich seither abgeschwächt. Für den 12. Juni ist aber wieder eine Demonstration angesetzt.

(APA/Reuters/AFP)

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