Golan-Abzug: Wien bricht 90-Tage-Frist

RUeCKKEHR DER UN-SOLDATEN VOM GOLAN:KLUG/FAYMANN
RUeCKKEHR DER UN-SOLDATEN VOM GOLAN:KLUG/FAYMANNAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Vereinten Nationen fordern Österreich in einer Verbalnote auf, zumindest bis Ende Juli am Golan zu bleiben. Doch die ersten 67 Soldaten sind bereits in Wien angekommen.

Wien. Mit einem überstürzten Abzug seiner rund 380 Soldaten von den syrischen Golanhöhen könnte Österreich im schlimmsten Fall vertragsbrüchig werden. Die Republik hat sich 1974 in einem Truppensteller-Abkommen dazu verpflichtet, die UNO 90 Tage vor einem Rückzug zu informieren. Das wurde der „Presse" am Mittwoch von Experten bestätigt, und zwar sowohl im Wiener Außenamt als auch im New Yorker UN-Hauptquartier. Ein frühere Beendigung des Einsatzes wäre nach den Buchstaben der Vereinbarung nur möglich, wenn sie einvernehmlich erfolgt, also sowohl die UNO als auch der betreffende Mitgliedstaat zustimmen.

Doch die ersten 67 Bundesheer-Soldaten sind bereits am Mittwochabend nach Wien zurückgekehrt. Sie wurden am Flughafen von Kanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) empfangen (>>>mehr dazu). Klug hat bereits mehrmals bekräftigt, dass er den Golan-Abzug in den kommenden dreieinhalb Wochen durchziehen will. Das geht der UNO zu schnell. Sie kann in der kurzen Zeit keinen Ersatz organisieren. Die Vereinten Nationen haben Österreich deshalb in einer Verbalnote aufgefordert, zumindest bis Ende Juli die Stellung am Golan zu halten. Das bestätigte das Außenamt gegenüber der „Presse".

Im Interview mit der „Presse" hatte der für friedenserhaltende Operationen zuständige Untergeneralsekretär Hervé Ladsous erklärte, dass er mindestens sechs bis acht Wochen brauche, um eine Alternative für die Österreicher zu finden. Jüngsten Informationen zufolge sollen nun die Fidschi-Inseln und die Philippinen ihre Truppen aufstocken (>>>mehr dazu).

Seit Dienstag führen Österreich und die UNO so genannte Suspendierungsverhandlungen, um das Truppenstellerabkommen einvernehmlich aufzulösen. Auf diesem Weg war auch ein Kompromiss mit Japanern und Kroaten erzielt worden, die ihre Soldaten ebenfalls vorzeitig und rascher als innerhalb von drei Monaten vom Golan zurückgeholt hatten. Dem Vernehmen nach könnten ein paar Stabsoffiziere und Mediziner noch ein paar Wochen länger als angekündigt in Camp Ziouani bleiben, das sich auf der israelisch besetzten Seite der Golanhöhen befindet.

Unterdessen regt sich immer größerer Unmut unter der Beamtenschaft. Ein hochrangiger Offizier, der aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben will, sprach gegenüber der „Presse" von einer glatten Fehlentscheidung. Der Beschluss sei „rein innenpolitisch getrieben". Sicherheitsexperten seien nicht in ausreichendem Maße eingebunden gewesen. Eine kleine Gruppe rund um Verteidigungsminister Klug, dessen Kabinettschef Stefan Kammerhofer und dem neuen Generalstabschef Othmar Commenda habe die Entscheidung durchgepeitscht. Außenminister Spindelegger sei quasi vor ein vollendetes Lagebild gestellt worden.

„Nicht so gefährlich wie dargestellt"

Die Situation sei am vergangenen Donnerstag nicht so gefährlich gewesen wie dargestellt. Syrische Rebellen hätten lediglich für ein paar Stunden die strategisch unbedeutenden Geisterstadt Kuneitra inmitten der entmilitarisierten Zone festgesetzt. Tatsächlich wurden die Freischärler, die auch den Posten an der Grenze zu Israel besetzt hielt, schon wenigen Stunden wieder von der syrischen Armee vertrieben. Es hätte Alternativen zu einem Abzug gegeben, sagte der Offizier zu „Presse". Das österreichische Kontingent hätte sich vorübergehend auf die israelische Seite der Golanhöhen zurückziehen und abwarten können. Und auch ein weiterer hochrangiger Militär meldet sich - anonym - zu Wort: Es hätte keine führende Persönlichkeit beim Heer gegeben, die sich für einen Abzug eingesetzt hätte. Die Truppen wieder nach Österreich zu holen sei ganz klar eine „politisch motivierte Entscheidung" gewesen.

Auch die am Golan stationierten Soldaten würden bleiben wollen. Das zeige auch die Tatsache, dass die Anzahl jener, die freiwillig nach Hause kehren würden, in letzter Zeit nur leicht angestiegen sei. Jeder Soldat kann seinen eigenen Einsatz nämlich vorzeitig beenden. Nur wenige hätten dies „schweren Herzens" getan - etwa weil der Druck von Zuhause zu groß gewesen sei.

Kollateralschäden für Österreich möglich

Ein erfahrener österreichischer Beamter befürchtet nun jedenfalls langfristige Kollateralschäden für Österreich. Das gute Image in den Vereinten Nationen sei schwer angekratzt.UN-Generalsekretär Ban Ki-moon werde künftig vielleicht nicht mehr den Österreich-Freund hervorkehren. Schlimmstenfalls seien sogar Konsequenzen in der Wiener UNO-City zu befürchten. Österreich müsse nun wieder hart daran arbeiten, um als verlässlicher Partner in sensiblen Militäroperationen zu gelten. Auch Partnerstaaten künftiger Battle Groups würden das Verhalten Österreichs mit Argusaugen studieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2013)

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