Die Fed und China machen die Märkte nervös

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Aktien, Anleihen, Gold, Öl, Silber: Am Donnerstag ging es mit den Kursen bergab. Grund ist die anhaltende Unsicherheit über die Fed-Politik. Dazu kommen schlechte Nachrichten aus China: Eine Kreditklemme droht.

Wien. Das Wort „Kreditklemme“ klingt zunächst einmal recht harmlos. Die englische Übersetzung („liquidity crunch“) transportiert schon mehr Dramatik. Tatsächlich gehört so eine Kreditklemme sogar zu den absoluten Horrorszenarien an der Börse. Wenn „zu wenig“ Geld da ist, also die Banken keine Kredite vergeben, dann sinken die Kurse, weil Anleger verkaufen müssen, um an Liquidität zu kommen. Wenn die Banken sich gegenseitig misstrauen und auch untereinander keine Kredite vergeben, wird aus der Klemme eine Krise. Und ausgerechnet China scheint in eine solche Krise zu schlittern.

Aber fangen wir von vorn an: Am Donnerstag kannten die Börsen weltweit nur eine Richtung: talwärts. Als Erstes traf es die Rohstoffe, deren Kurse einerseits konjunkturabhängig sind, und wo andererseits viel leicht verfügbare Liquidität im Derivatemarkt „geparkt“ ist. Silber fiel um sieben Prozent auf 20Dollar, Gold um mehr als fünf Prozent auf ein Tief von rund 1300 Dollar. Zuletzt notierte das gelbe Metall Ende 2010 auf diesem Niveau – nachdem es nach der Lehman- und wegen der Eurokrise stark gestiegen war.

Ende des billigen Geldes?

Der wichtigste Rohstoff, Öl, fiel um rund zwei Prozent auf rund 96 Dollar, Gas und Heizöl sanken ähnlich stark. Auch die Aktienmärkte wurden getroffen und drehten in den roten Bereich. An den Währungsmärkten gab es nur einen Sieger: den US-Dollar – alle anderen wichtigen Währungen sanken. Der Australische Dollar sogar schon den fünften Tag in Folge, womöglich eine Folge der sich anbahnenden China-Krise. Auch der riesige Markt für Staatsanleihen geriet unter Druck: Die Kurse fielen, während die Zinsen stiegen – und zwar von Neuseeland bis Deutschland, das als einer der letzten „sicheren Häfen“ gilt.

Kurz: Die Märkte reagierten, als hätte Fed-Chef Ben Bernanke bei seiner Pressekonferenz am Donnerstag das Ende der „außergewöhnlichen Lockerungsmaßnahmen“ (Quantitative Easing) bekannt gegeben. Also das „Ende des billigen Geldes“. Dabei hat Bernanke lediglich einen möglichen Fahrplan präsentiert. Wenn es mit der US-Wirtschaft weiter bergauf gehe und die Indikatoren für Arbeitsmarkt und Inflation sich innerhalb der Fed-Zielsetzung bewegten, könne die Fed gegen Ende dieses Jahres „die Geschwindigkeit der Ankäufe mäßigen“, sagte Bernanke. Laufe weiter alles nach Plan, könnte das Programm (mit dem 85 Mrd. Dollar pro Monat in den Markt gepumpt werden) komplett eingestellt werden. Eine Zinswende wäre das freilich noch nicht – und dass Bernanke die Ankäufe im Notfall sogar noch ausweiten könnte, hat er schon mehrmals gesagt. Aber zumindest am Donnerstag spielte das an den Börsen keine entscheidende Rolle.

„Ich glaube aber, dass der Markt die Wachstums- und Arbeitsmarktziele von Bernanke falsch interpretiert und das zukünftige Inflationsziel ignoriert“, sagte „Bondkönig“ Bill Gross, Chef des weltgrößten Anleiheninvestors Pimco. Bernanke habe extreme Angst vor Deflation, so Gross. Dass es zu einer „Mäßigung“ der Anleihenkäufe kommen könne, wenn die Inflationsrate (so wie jetzt) deutlich unter dem Fed-Ziel von zwei Prozent liegt, halte er für unwahrscheinlich, sagte Gross, unter Berufung auf mehrere Bernanke-Statements zur Inflation.

Gleichzeitig mit der negativen Reaktion auf die Bernanke-Pressekonferenz zogen Anleger auch am Donnerstag weiter massiv Geld aus den aufstrebenden Entwicklungsländern ab. Die Währungen taumelten: Die Indische Rupie gab rund zwei Prozent nach, Südafrikas Rand gar um 3,2 Prozent. Der polnische Zloty sank gegenüber dem Euro auf ein neues Jahrestief. Der MSCI-Emerging-Markets-Index hat in diesem Jahr schon 13Prozent verloren – verglichen mit einem Plus von 14 Prozent im US-Index S&P 500.

Dunkle Wolken über Chinas Banken

In den vergangenen vier Jahren sind fast vier Billionen Dollar in aufstrebende Länder wie Brasilien, China, Indien und die Türkei geflossen. Dieser Trend hat sich nun umgekehrt: In den vergangenen drei Wochen wurden rund 19 Milliarden Dollar aus diesen Märkten abgezogen. Allein aus Brasilien und Indien waren es 8,8 Milliarden Dollar in diesem Monat.

Aber das potenziell größte Problem bahnt sich in China an. Die Kosten für Übernacht-Repo-Geschäfte zwischen Banken sind binnen weniger Tage um 25 Prozent auf 12 Prozent hinaufgeschossen: höher als 2007 oder während der Eurokrise. Am Donnerstag dürfte der Interbanken-Kreditmarkt in China dann zu einem praktischen Stillstand gekommen sein – eine solche Entwicklung hat die Weltwirtschaft nach der Pleite von Lehman Brothers an den Rand des Abgrundes gebracht. Die chinesische Zentralbank dürfte am Donnerstag zumindest eine Bank durch gezielte Liquiditätsspritze vor dem Kollaps gerettet haben. Entsprechende Medienberichte wurden von offizieller Seite aber nicht bestätigt. Sollte es so weitergehen, wird die chinesische Zentralbank nicht umhinkommen, ihre Liquiditätsschleusen zu öffnen.

Das Problem: Sie hat eigentlich angekündigt, die Liquidität zu drosseln – wie Bernanke in Washington.

Auf einen Blick

Die Märkte sehen rot: Aktien, Anleihen, Gold, Silber und Öl gaben am Donnerstag deutlich nach. Grund dürfte die letzte Rede des Fed-Chefs Ben Bernanke sein, in der er eine „Mäßigung“ der Fed-Geldspritzen für die Wirtschaft angedeutet hat. Gleichzeitig fliehen Investoren aus den aufstrebenden Märkten wie Brasilien, Indien und China. Dort gibt es ein zusätzliches Problem: Der Interbanken-Geldmarkt scheint stillzustehen. Aber die chinesische Zentralbank weigert sich bisher, mit frischer Liquidität einzugreifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2013)

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