Besuch der jungen Dame: Stockerau neu mit Bennent

 Anne Bennent hätte ruhig weniger mit Dekor zugepappt werden können. Als Dürrenmatts „Alte Dame“ dominiert sie die Szene und spielt sogar Saxofon.
Anne Bennent hätte ruhig weniger mit Dekor zugepappt werden können. Als Dürrenmatts „Alte Dame“ dominiert sie die Szene und spielt sogar Saxofon.(c) Johannes Ehn / www.ehnpictures.com
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Zeno Stanek inszeniert in seiner ersten Saison bei den Stockerauer Sommerspielen Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“mit Anne Bennent, der Meisterin des Bizarren.

Nach elf Jahren Musical mit Alfons Haider trauten sich die Stockerauer Sommerspiele etwas. Sie engagierten den ernsten Regisseur Zeno Stanek, der mit Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ startet. Dazu gibt es ein feines Musikprogramm, um das Publikum über den Verlust der leichteren Unterhaltung zu trösten. Bei der Theaterpremiere am Dienstagabend, die infolge der Witterung und der Gelsenplage in der nicht gerade stimmungsvollen „Z-2000“-Halle statt auf dem Hauptplatz gezeigt wurde, blieben indes Plätze leer.

Nach Jahrzehnten besucht die ehemalige Prostituierte Klara Wäscher, dank günstiger Heiraten zu märchenhaftem Reichtum gelangt, ihren Heimatort Güllen, der völlig heruntergekommen ist: „Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als die Armut“, dichtete der Schweizer Dürrenmatt auf Sophokles' Spuren 1956. Seine Satire mit Anklängen an Brecht („Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“) inmitten des Wiederaufbaus Europas nach dem II. Weltkrieg wirkt visionär und wird oft gespielt.

Klara Wäscher alias Claire Zachanassian schenkt Güllen „eine Milliarde“, wenn die Bewohner den Kaufmann Ill töten, der ihr einst ein Kind gemacht, die Beziehung mit ihr vor Gericht geleugnet hat, worauf Klara auswanderte. Anne Bennent spielt die Titelrolle, diese Claire liebt ihren Ill noch immer, aber sie kann nicht über ihren Schatten springen und schon gar nicht vergeben. Charly Rabanser ist das Gegenteil des „fetten, grauen, versoffenen“ Ill, den Dürrenmatt zeichnete. Rabanser, fesch, schlank, elegant, würde eher in eine Salonkomödie passen, ist daher im Grunde eine Fehlbesetzung, aber sehr sympathisch. Bennent prunkt wie üblich im ihr wohlvertrauten, bizarren Fach. Sie raucht viele Zigarren, singt „Oh-Claire-de-la-Lune“, spielt Saxofon, macht sehr deutlich, dass sie nicht nur materiell, sondern auch beim Sex bestimmt, wo's langgeht – und ist alles in allem trotz ihrer teils unvorteilhaften Kostümierungen (aufgepappte weiße Haare, Feder-Capes) ein recht spannendes Kontrastprogramm zu den diversen Diven, die diese Rolle prägten.

Ein paar schauspielerische Highlights

Der netteste Moment bei der Premiere war, als Bennent ihrem Sohn, der in der ersten Reihe saß, zuwinkte, nach dem Motto: „He, Bub, ich spiele zwar eine schreckliche Rolle, aber ich bin trotzdem deine Mama.“

Das große Ensemble ist durchschnittlich, aber ordentlich.
Sehr gut sind Karl Ferdinand Kratzl als Butler, Robert Reinagl als Bürgermeister und der wahrhaft köstliche Reporter von Richard Maynau. Einige starke Momente hat auch der Lehrer (Klaus Huhle). Gisela Salcher als Ills Gattin, die von ihrer einstigen Rivalin Claire rüde abgekanzelt wird, charakterisiert mit wenig Text die Stimmungslage dieser ebenso bedauernswerten wie unerschütterlichen Person.

Mehr von dem Humor zu Anfang des Abends hätte der Aufführung gutgetan, vor der Pause hängt sie durch. Es ist seltsam, dass die „alte Dame“, die beim Lesen des Textes so herrlich bösartig und brandaktuell erscheint, auf der Bühne oft so altertümlich wirkt, teilweise auch hier. Insgesamt trotzdem: eine interessante Aufführung. Wie sich die Stockerauer mit dem neuen Stil anfreunden werden, bleibt abzuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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