Schlechtes Timing für Obamas Afrika-Reise

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Wettlauf auf dem schwarzen Kontinent. Der zweite Afrika-Besuch des US-Präsidenten kommt spät und steht unter schlechten Vorzeichen. Der Todeskampf Nelson Mandelas überschattet die Obama-Visite. Es regt sich Enttäuschung.

Wien. Es sollte eine Hommage sein, doch es klang bereits wie ein voreiliger Nachruf, als Barack Obama auf dem Kontinent seiner Vorväter einen rhetorischen Kranz für Nelson Mandela flocht. Ein „Held für diese Welt“, dessen Vermächtnis über Jahrhunderte bestehen bleiben werde: So würdigte der US-Präsident in der senegalesischen Hauptstadt Dakar Donnerstagnachmittag eines seiner deklarierten Vorbilder, das zur gleichen Zeit einige tausend Kilometer südöstlich in einer Herzklinik in Pretoria im Sterben lag.

Nicht nur Südafrikas „Regenbogennation“ fieberte mit dem Todeskampf ihres „Madiba“, des „Vaters der Nation“ mit, dessen Leben an einem seidenen Faden hing – an Schläuchen und lebenserhaltenden Maschinen. „Von einem Augenblick zum anderen kann alles passieren. Gott allein weiß, wann seine Stunde schlagen wird“, sagte dessen älteste Tochter Makaziwe. Enkelin Ndileka äußerte indessen die leise Hoffnung, dass sie mit ihrem „Tata“ noch den 95. Geburtstag am 18. Juli feiern könne.

Eine solche Hoffnung mag auch Obama hegen. Er hat Mandela nur ein einziges Mal getroffen, 2005 als Neo-Senator im Rahmen einer Parlamentarier-Delegation. Ein Besuch beim verehrten Friedensnobelpreisträger am Wochenende galt eigentlich als programmierter Höhepunkt seiner sechstägigen Afrika-Reise – für jeden Politiker von Rang, von Hillary Clinton bis Benita Ferrero-Waldner, stets ein begehrtes Fotomotiv.

Der Obama-Trip steht indes unter keinem guten Stern. Angesichts des anhaltend desolaten Gesundheitszustandes Mandelas bewies der US-Präsident schlechtes Timing. Im Todesfall, so verlautete aus Kreisen des Weißen Hauses, erwog Obama den Abbruch der Reise, die ohnehin vom Ringen des südafrikanischen Ex-Präsidenten mit dem Tod überschattet ist. Womöglich wolle der US-Präsident noch rechtzeitig ans Sterbebett eilen, besagen andere Spekulationen.

Barack Obamas zweite Schwarzafrika-Reise seiner Amtszeit, nach einem symbolischen Blitzbesuch in Ghana vor vier Jahren, war längst überfällig. „Afrikas Zukunft ist Sache der Afrikaner“, betonte er damals. Obwohl der Name Obama in Ostafrika nach wie vor Begeisterung weckt – über die Straßen rumpeln Busse mit der Aufschrift „Obama“ und „Air Force One“, Bars aus Bretterbuden sind nach ihm benannt – regt sich in Afrika allerorts Enttäuschung über den ersten afroamerikanischen Präsidenten, dessen Wahl für den „schwarzen Kontinent“ so große Verheißung signalisierte.

Stattdessen ließ Obama nicht nur Kenia, die Heimat seines Vaters, links liegen. Auch diesmal macht er einen Bogen um Kenia, um nicht den neu gewählten Präsidenten Uhuru Kenyatta aufzuwerten. Denn der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat ihn wegen mutmaßlicher Brandstifterrolle bei den Unruhen nach den Parlamentswahlen 2007 angeklagt. Für seine Reise wählte der US-Präsident mustergültige Demokraten: Senegal, Südafrika und Tansania. Kenyatta revanchierte sich für die Brüskierung übrigens mit einer vielsagenden Visite nach Peking, Washingtons Konkurrenten Nummer eins um die Hegemonie in Afrika.

Wirtschaftsoffensive verschlafen

Chinas Präsident Xi Jinping hat erst im Frühjahr in Ostafrika den Anspruch auf die Vormacht demonstriert. Seit Jahren engagiert sich Chinas Wirtschaft in Infrastrukturprojekten kreuz und quer in Afrika, es pumpt Abermilliarden an Dollars in Öl- und Gasfelder. Das Handelsvolumen hat sich im Lauf des letzten Jahrzehnts mehr als verzehnfacht, auf 166 Mrd. Dollar. Selbst aufstrebende Mittelstaaten wie Brasilien, Indien oder die Türkei beteiligen sich am Wettlauf um die Bodenschätze in Afrika, während die USA die Offensive und den Boom verschliefen. Mit einer riesigen Wirtschaftsdelegation versucht Obama jetzt, verlorenes Terrain aufzuholen.

Die Euphorie und die Feierlaune rund um die Obama-Visite sind jedenfalls gründlich verflogen. Die Vorfreude auf die „größte Party“, von der mancher in Südafrika noch neulich raunte, ist einer Grabesstimmung gewichen. Weil sich das Land auf den Tod Mandelas und auf eine tagelange Staatstrauer einstimmt, könnten freilich auch die Anti-Obama-Proteste entfallen, die eine „No-Bama“-Allianz von Muslimen im Vorfeld ankündigte. Kritische Stimmen sind dagegen nicht verstummt. Obamas Vorgänger Bill Clinton und George W. Bush hätten mehr Engagement für Afrika an den Tag gelegt, meinte ein südafrikanischer Politologe. Bush lancierte eine Initiative gegen Aids und Malaria, erst im Vorjahr widmete er sich wochenlang seinen Projekten in Afrika. Mit einem Heimvorteil angetreten, hat Barack Obama in jeder Hinsicht Nachholbedarf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2013)

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