Punk und Kunst

Er erfand die Punk-Lettern: Künstler Jamie Reid ist tot

„God Save The Queen“, 1977.
„God Save The Queen“, 1977.
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Ein Porträt von Königin Elizabeth II., überklebt mit Buchstaben, die ausgeschnitten wurden: Das Cover der Single „God Save the Queen“ der Sex Pistols ist legendär. Gestaltet hat es Jamie Reid, der nun 76-jährig gestorben ist.

Die Sicherheitsnadel, die Rasierklinge, die Irokesenfrisur: das sind wesentliche Insignien des Punk, gewiss. Doch mindestens genauso wichtig war eine typografische Innovation, die der 19-jährige Londoner Jamie Reid, Student an der Croydon Art School, im Umbruchsjahr 1976 erfand: Er schnitt – das tat man damals noch ganz manuell – Buchstaben verschiedener Schriften und klebte sie zusammen. Cut and paste ohne Computer, Methode Erpresserbrief. Diese Assoziation passte bestens zum neuen Musikstil, der ebenso roh klang. Malcolm McLaren, Croyden-Art-Absolvent und Manager der Sex Pistols, war begeistert – und vertraute Reid das Poster für die erste Pistols-Single an: „Anarchy In The UK“. Mit seinem untrüglichen ikonoklastischen Gespür wählte Reid einen zerrissenen Union Jack.

Für die nächste Single, „God Save The Queen“, wurde es ein Porträt von Elizabeth II. mit über Augen und Mund gekleisterten Texten (Songtitel, Bandname). Auf einem Poster fügte er noch eine Rasierklinge dazu, auf einem anderem sogar ein Hakenkreuz – da war man nicht heikel in England damals. Für „Pretty Vacant“ nahm er ein eingeschlagenes Fenster bzw. für die kontinentale Version zwei Busse mit den Endstationen Nowhere und Boredom. Und auf dem Album „Never Mind The Bollocks, Here‘s The Sex Pistols“ regierten überhaupt nur die Buchstaben. Auf giftigem Grün, Gelb und Rosa.

Das alles geschah in kaum zwei Jahren und war mehr als genug, um Reids Ruhm zu begründen. War er selbst Punk? Alte Fotos zeigen lange Haare. War er Anarchist? Ja, bekennender. Sein Werk verbinde „gnosticism and dissent“, schrieb er später. Dissens womit? Mit einer Kultur, die auf Sklaverei zusteuere, sagte er selbst. In den Neunzigern arbeitete er mit dem Street-Art-Künstler Shepard Fairy zusammen, später unterstützte er „Occupy“ und die russische Frauenband Pussy Riot. 2017 baute er sein „God Save The Queen“-Motiv auf Donald Trump um, nannte es „God Save Us All“. Eine andere Variation – passend mit Totenschädel – widmete er Damien Hirst, dessen Eigenvermarktung ihm zutiefst unsympathisch war. Kommerz lehnte er ab. Vorbild oder Autorität wollte er nie sein, „Never Trust A Punk“ schrieb er auf einen Print.

Eine von Sid Vicious signierte Platte des Albums vor einer Versteigerung
Eine von Sid Vicious signierte Platte des Albums vor einer Versteigerungimago stock&people

Nun ist dieser geniale Grafik-Revoluzzer 76-jährig gestorben. Todesursache wurde zunächst keine bekannt gegeben. Die John Marchant Gallery im südenglischen Brighton bezeichnete Reid als „Künstler, Bilderstürmer, Anarchist, Punk, Hippie, Rebell und Romantiker“. Seine Werke werden noch lange auf T-Shirts gedruckt werden. (APA/tk)

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