Tschechien: Neonazis machen Jagd auf Roma

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Eine Horde Rechtsradikaler wollte in Budweis die dort lebenden Roma lynchen - und einige Anwohner applaudierten. Nur ein massiver Polizeieinsatz stoppte den Mob.

Prag. Der Superstar der tschechischen politischen TV-Moderatoren, Václav Moravec, hatte am Sonntagmittag wieder die geballte Prager Politprominenz ins öffentlich-rechtliche Fernsehen geladen. Der von Präsident Miloš Zeman mit der Bildung einer Übergangsregierung betraute Premier Jiří Rusnok musste zum wiederholten Mal erläutern, welche Vorstellungen er hat, und wie schwer es ihm fällt, geeignete Minister zu finden. Die Sendung „Fragen von Václav Moravec“ hat jeden Sonntag Rekordeinschaltquoten. Die halbe Tschechische Republik verfolgt sie. Eigentlich eine gute Gelegenheit, auch hinsichtlich wirklich wichtiger Themen Stellung zu beziehen.

Moravec, eine Institution in Tschechien, auf die man hört, verpasst sie einmal mehr. Er hätte die Sendung mit einem Appell an seine Landsleute beginnen können. Einem Appell, dass es jetzt genug sei. Dass es nicht angehe für ein demokratisches Land, dass Woche für Woche Neonazis durch die Gegend ziehen, um Roma-Mitbürger zu lynchen.

Schauplatz eines solchen Aufmarschs war am Wochenende České Budějovice (Budweis) in Südböhmen gewesen. Mehrere hundert Neonazis waren in die malerische Stadt gekommen, um Roma „aufzuklatschen“. Sie stellten sich an die Spitze eines Protestzuges aufgebrachter Budweiser, die immer wieder Probleme im Zusammenleben mit den Roma beklagen. Der jüngste Anlass war völlig nichtig: Zwei Kinder, ein Roma-Kind und eines von „weißen“ Tschechen, waren beim Spielen in einer Sandkiste in Streit geraten, um eine Schaufel oder ein Backförmchen. Daraus entwickelte sich ein Wortwechsel der Mütter. Im Nu kamen Dutzende Menschen hinzu und pöbelten die Roma-Mutter an. Aus Prinzip.

Brennende Müllcontainer

Macht derlei die Runde im Land, ist es ein gefundenes Fressen für die Neonazis. Im vergangenen Jahr waren sie regelmäßig im Schluckenauer Zipfel an der Grenze zu Sachsen aufmarschiert. Vergangenes Wochenende tobten sie sich in Duchcov (Dux) aus, jenem Örtchen, in dem der venezianische amouröse Schriftsteller Giacomo Casanova im 18. Jahrhundert seine letzten Lebensjahre verbrachte. Jetzt also Budweis.

Das Neubauviertel, in dem 22.000 Menschen leben, darunter nur ein paar Dutzend Roma, glich einem Schlachtfeld. Hunderte Rechtsradikale lieferten sich mit der Polizei eine Straßenschlacht. Die Rechtsradikalen warfen Pflastersteine, zündeten Müllcontainer an und schoben die in Richtung der Polizei. Dazu brüllten sie Parolen wie „Zigeuner ins Gas!“ Die Polizei setzte Tränengas ein, versuchte, die Menge zurückzudrängen, die in das Viertel einzudringen versuchte, um die Roma dort zu lynchen. Angefeuert wurden die Rechten durch „anständige“ Tschechen, die jeden Angriff der Neonazis auf die Polizei mit Johlen und Beifall bedachten. Die Polizei nahm mehrere Personen fest. Es gab Verletzte auf beiden Seiten und erheblichen Sachschaden.

Der Bürgermeister von Budweis hat sich am Sonntag über die Polizei beschwert. Sie hätte sofort eingreifen müssen, als die Rechten mit erhobenem rechten Arm und „Sieg heil“-Rufen durch die Stadt marschiert waren. Die Polizei habe zudem die Ankündigungen der Neonazis auf Facebook ignoriert.

Der einzige Politiker in Prag, der sich in jüngster Zeit zu den Rechtsradikalen geäußert hatte, ist Präsident Zeman. Er verwies darauf, dass er nicht ohne Grund schon in seiner Einführungsrede bei seinem Amtsantritt auf die wachsende Gefahr von rechts aufmerksam gemacht hatte. Tschechien müsse sich diesem Problem dringend stellen, mahnte er.

Shitstorm gegen Schwarzenberg

Der noch amtierende Außenminister, Karel Schwarzenberg, hatte am Wochenende Zweifel geäußert, dass Tschechien mehr als zwanzig Jahre nach der Revolution wertemäßig schon im Westen angekommen sei. Auf Facebook erntete der Minister dafür einen Shitstorm. Die Leute, die ihn angriffen, waren am Ende genau jene, die die Ereignisse in Budweis auf Facebook mit keinem Wort kommentierten.

Anmerkung der Redaktion:
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2013)

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