Ein Historikerbericht bringt Sach- lichkeit in die Straßennamendebatte.
Um 70.000 Euro kann man sieben Bedürftigen ein Jahr lang die Mindestsicherung bezahlen, sieben Meter der Tangente sanieren oder Wiens Bürgermeister fünf Monate seines segensreichen Wirkens vergüten. Oder man kann vier Historiker zwei Jahre lang den Stadtplan nach Namen durchforsten lassen, deren Paten sich durch Nähe zu Nationalsozialismus oder Antisemitismus unangenehm hervorgetan haben.
Der Schlussbericht hebt sich angenehm von dem hysterischen Gezeter ab, mit dem Parteien zuletzt wechselseitig die Tilgung ihrer Säulenheiligen forderten: Auf 350 Seiten zeichnet sich die Geschichte einer Stadt ab, deren Namen, je nach Zeitgeist, nach jungen Helden, üblen Besatzern oder berechnenden Demagogen geändert worden sind.
Bis heute schimmert die historische Dynamik von Jahrhunderten durch – teils erhebend, teils erschreckend, stets lehrreich. Bleibt zu hoffen, dass die Politik der Anregung treu bleibt, nicht weiter krude umzubenennen, sondern „belastete“ Namen zu kommentieren – die Stadt als begehbares Geschichtsbuch quasi. Es gibt weit sinnlosere Arten, öffentliches Geld zu investieren.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2013)