Machtkampf in Prag: Zeman fordert Parlament heraus

Czech President Milos Zeman gestures during the appointment ceremony of Jiri Rusnok as new prime minister at Prague Castle
Czech President Milos Zeman gestures during the appointment ceremony of Jiri Rusnok as new prime minister at Prague CastleREUTERS
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Der Präsident vereidigte am Mittwoch die von ihm zusammengestellte Regierung. Dass sie im Parlament eine Mehrheit finden wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Tschechiens Präsident Miloš Zeman will es wissen und wagt die Machtprobe mit dem Parlament: Am Mittwoch vereidigte der Staatschef jene Regierung, die er selbst zusammengestellt hatte, mit dem neuen Regierungschef Jiři Rusnok an der Spitze.

Zeman hat diese Vollmacht qua Verfassung, er setzt sich damit allerdings über die Usancen hinweg, denn die Ernennung Rusnoks erfolgt gegen den erklärten Willen der Parlamentsmehrheit. Dass Rusnok also bei der Vertrauensabstimmung, die binnen 30 Tagen stattfinden muss, eine Mehrheit bekommt, scheint derzeit wenig wahrscheinlich. Der Präsident gab sich am Mittwoch kampfeslustig: "Lassen Sie sich nicht von neidischen Dummköpfen, die selbst nie etwas getan haben, hinausekeln", sagte er im Rahmen der Vereidigungszeremonie auf der Prager Burg.

Fällt sein Kandidat durch, muss Zeman auf dem Papier zwar einen Ersatz finden. Zeitliche Fristen sind ihm dafür jedoch keine gesetzt, was bedeutet, dass das Kabinett Rusnok theoretisch bis zum regulären Wahltermin 2014 im Amt bleiben könnte. Viel weiterbringen könnte diese Regierung ohne Unterstützung im Parlament freilich nicht.

Zeman wird Rivalen Schwarzenberg los

Der bisher regierende bürgerliche Premier Petr Nečas musste im Juni wegen einer Korruptions- und Abhöraffäre zurücktreten. Zuvor war im Rahmen einer landesweiten Razzia seine Kabinettschefin und mutmaßliche Geliebte verhaftet worden. Sie soll unter anderem den Geheimdienst angestiftet haben, die Noch-Ehefrau des Premiers zu bespitzeln. Mit Nečas musste die gesamte  Regierungskoalition zurücktreten, der auch die Partei TOP09 des bisherigen Außenministers Karel Schwarzenberg angehörte.

Dass Schwarzenberg künftig nicht mehr für die Außenpolitik verantwortlich ist, dürfte Zeman eine besondere Genugtuung sein: Die beiden Politiker standen sich bei der Präsidentenwahl im Jänner gegenüber, der ein äußerst schmutziger Wahlkampf vorangegangen war. Schwarzenberg hatte sich kritisch zur Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg geäußert. Das Zeman-Lager hatte ihm daraufhin vorgeworfen, kein tschechischer Patriot zu sein.

Rusnok ist enger Vertrauter des Präsidenten

Die meisten Mitglieder der Regierung Rusnok sind parteilos, stehen allerdings Zeman nahe. Rusnok selbst ist ein langjähriger enger Vertrauter des Präsidenten. Mehrere Minister gehörten bzw. gehören den Sozialdemokraten an, aus deren Reihen auch Zeman ursprünglich kam, bis er sich vor Jahren mit der Partei überwarf. Neuer Außenminister wird der langjährige Diplomat Jan Kohout, Ex-Premier Jan Fischer wird Finanzminister. An der Spitze des Verteidigungsministeriums steht der ehemalige General Vlastimil Picek, der einzige Minister, der auch in der Regierung Nečas vertreten war.

Der neue Regierungschef im Porträt

Der neue tschechische Premier Jiri Rusnok (53) ist kein Neuling in der Politlandschaft Tschechiens. In Erinnerung bleibt er vor allem als Finanzminister aus den Jahren 2001 und 2002 in der sozialdemokratischen (CSSD) Regierung, an deren Spitze der heutige Staatspräsident Milos Zeman stand. Danach - 2002 und 2003 - übte Rusnok auch das Amt des Industrie- und Handelsministers im Kabinett von Vladimir Spidla (CSSD) aus.

2003 versuchte Rusnok, den CSSD-Vorsitz zu übernehmen, allerdings konnte er sich auf dem CSSD-Parteitag nicht gegen Spidla durchsetzen. Rusnok galt als Anhänger des pragmatischen Zeman-Flügels innerhalb der Partei, nachdem sich Zeman aus der Politik 2002 zurückzog. Rusnok kritisierte Zemans Nachfolger Spidla und seine Parteiführung. Als Zeman Anfang 2003 bei der Präsidentenwahl eine schwere Niederlage erlitt, weil eine Gruppe von CSSD-Parlamentariern um Spidla nicht für ihn stimmte, legte Rusnok sein Parlamentsmandat nieder.

"Einige Schritte und Aussagen der gegenwärtigen Parteiführung waren, muss ich sagen, starker Tobak", argumentierte Rusnok damals. Es störte ihn vor allem, dass die CSSD nach den Parlamentswahlen 2002 nicht wieder den Oppositionsvertrag mit der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) wie unter Zemans Regierung einging, sondern eine brüchige Koalition mit Christdemokraten und der damaligen Freiheitsunion (US) abschloss.

In der CSSD blieb Rusnok zunächst weiter, engagierte sich aber nicht mehr in der Parteipolitik, sondern wechselte in die Wirtschaft und wurde Präsident einer Pensionsfonds-Vereinigung. Heute herrschen Unklarheiten hinsichtlich seiner Parteizugehörigkeit. Laut der Tageszeitung "Lidove noviny" ist Rusnok "schon seit langem" nicht mehr CSSD-Mitglied, allerdings sagte Rusnok nie konkret, dass er die CSSD verlassen hat.

2009 wurde Rusnok von dem damaligen Premier Mirek Topolanek (ODS) in den Nationalen ökonomischen Regierungsrat (NERV) - ein neu gebildetes Beraterorgan des Kabinetts - berufen. 2012 tauchte Rusnok im Wahlkampfteam von Zeman auf, nach dem Antritt Zemans als Staatspräsident wurde Rusnok Berater des Staatschefs für Wirtschaftsfragen.

Vor 1989 war Rusnok Anwärter auf eine KP-Mitgliedschaft. Der 1960 in Ostrava geborene Rusnok absolvierte die Prager Wirtschaftsuniversität (VSE), ist verheiratet und hat zwei Kinder.

(APA/Reuters/hd)

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