Richard Wagners Adoptivkind heißt Christian

Die Chancen stehen gut, dass die Bayreuther Festspiele fest in der Hand der Wagner-Familie und des Dirigenten Thielemann bleiben.

Christian Thielemann ist unter den Dirigenten im Bayreuther Festspielhaus schon vertragsgemäß der Primus inter Pares. Wie die Dinge liegen, wird man dem Berliner Maestro demnächst noch mehr Befugnisse erteilen. Er dürfte im Zuge der anstehenden Vertragsverlängerung der Wagner-Urenkelinnen Eva und Katharina ganz offiziell in die künstlerische Leitung der Festspiele eingebunden werden.

Da Frank Castorfs „Ring“-Inszenierung alles andere als ein Misserfolg zu werden verspricht, dürfen sich die Befürworter einer Verlängerung der Wagner'schen Erbpacht in Bayreuth in Sicherheit wiegen. Nur ein desaströser Misserfolg dieses Engagements hätte die Entscheidungsträger vielleicht noch schwanken lassen.

Immerhin: Seit der Uraufführung des kompletten „Rings des Nibelungen“ im Jahre 1876, in dem der Festspielgedanke erstmals realisiert worden ist, stehen die Bayreuther Veranstaltungen unter der Führung von Mitgliedern der Familie Wagner.

Auf den Meister selbst folgte seine gestrenge Witwe, die Liszt-Tochter Cosima. Des gemeinsamen Sprosses Siegfrieds Erbe übernahm dann dessen Witwe, Adolf Hitlers Busenfreundin Winifred. Nach dem Krieg bauten Wagners Enkel Wieland und Wolfgang ab 1951 ein Festspielimperium auf, das nach Wolfgangs jahrzehntelanger Alleinherrschaft von dessen Töchtern aus zwei verschiedenen Ehen, Eva und Katharina, übernommen wurde.

Sie planen bereits bis 2019, sodass es nur noch eine Formsache zu sein scheint, dass die Bayerische Politik ihren Segen dazu gibt, die Linie fortzusetzen. Falls sich Eva Wagner-Pasquier in den Ruhestand zurückzieht, heißt die Herrin auf dem Hügel Katharina. Thielemann, dem jetzt bereits mehr als beratende Funktion zukommt, wird dann, so verlautet aus gut informierten Bayreuther Kreisen, zu einer Art künstlerischem Ko-Direktor avancieren.

Jedenfalls ist er der Dirigent von Katharina Wagners 2015 geplanter Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“. In der Folge stehen Neuproduktionen von „Parsifal“ (Jonathan Meese), „Tannhäuser“, „Meistersinger“ und „Lohengrin“ an, ehe 2020 der nächste „Ring“ zu sehen sein wird.

Die Chancen, dass die Tetralogie – wie schon zwischen 2006 und 2010 – von Thielemann dirigiert wird, stehen gut. Nach „Tristan“ wird der Dirigent mit „Lohengrin“ sein Plansoll erfüllt haben und – als Einziger seit Cosimas Favoriten Felix Mottl – sämtliche von Wagner für Bayreuth kanonisierten Werke einstudiert haben. Nochmals das zentrale Werk der Festspiele zu leiten dürfte für den dann 62-Jährigen durchaus erstrebenswert erscheinen.

Doch das ist Zukunftsmusik. In den kommenden Jahren liest sich die Dirigentenbilanz Bayreuths wie das Who's who der Interpretationskunst unserer Zeit: Thielemann, Petrenko, Jordan, Nelsons. Nicht nur aus Salzburger Sicht neiderregend.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2013)

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