Peter Löscher muss gehen. Mit Joe Kaeser übernimmt wieder ein echter „Siemensianer“ den Chefsessel beim deutschen Konzern – und muss gleich über einen drastischen Gewinneinbruch berichten.
[München/Auer] Nun ist es offiziell: Der Aufsichtsrat von Siemens ernannte am Mittwoch den langjährigen Finanzchef Joe Kaeser zum neuen Vorstandschef des deutschen Technologiekonzerns. Er ersetzt den Österreicher Peter Löscher, der zuletzt wegen Pannen und schwacher Zahlen in Ungnade gefallen war. Schon am vergangenen Wochenende beschloss das Kontrollgremium den Abgang des glücklosen Konzernchefs. Am Mittwoch legte Löscher sein Amt – vier Jahre vor Vertragsende – „freiwillig“ nieder.
Nach sechs Jahren unter Löscher tritt nun mit Kaeser wieder ein echter Siemensianer an die Spitze des Unternehmens. Seinen ersten Tag als Siemens-Chef hat sich der 56-jährige Bayer aber vermutlich dennoch anders vorgestellt. In seiner ersten Amtshandlung musste Joe Kaeser den Investoren eine weitere Hiobsbotschaft überbringen: Im abgelaufenen Quartal brach der Gewinn um 13 Prozent auf eine Milliarde Euro ein. Der Umsatz ging um zwei Prozent auf knapp 19,3 Milliarden Euro zurück. Technische Probleme in der Zugsparte und der Sanierungskurs des Unternehmens haben den Infrastrukturbereich in die roten Zahlen gedrückt.
Neue Ziele und Vision im Herbst
Dennoch sei Siemens kein Sanierungsfall, betonte Kaeser. Den im Frühjahr gesenkten Ausblick für das Gesamtjahr hielt er aufrecht. „Siemens wird es auch nach 2014 geben. Aber wir haben uns zuletzt zu viel mit uns selbst beschäftigt“, fügte er in Hinblick auf die jüngsten Machtspiele im Konzern hinzu.
Er wolle Siemens wieder zu seinem alten Glanz verhelfen. Im Herbst sollen eine neue Version des Renditeprogramms und seine Vision für den Konzern vorgestellt werden. Genau dieses Renditeprogramm ist letztlich seinem Vorgänger, Peter Löscher, zum Verhängnis geworden. Dieser versprach den Geldgebern, bis 2014 eine operative Gewinnmarge von zwölf Prozent zu erreichen. Am vergangenen Donnerstag wurde klar: Löscher kann auch dieses Versprechen nicht halten. Die sechste Gewinnwarnung in den sechs Jahren unter seiner Führung brachte die Aktie endgültig zum Absturz. Gerüchte über Löschers Abgang machten die Runde. Drei Tage später entzog ihm der Aufsichtsrat inoffiziell das Vertrauen. Gestern erfolgte der offizielle Machtwechsel.
Mit Joe Kaeser wagt Siemens allerdings nur einen halben Neuanfang. Der langjährige Siemens-Manager ist seit 1980 im Unternehmen und wird den Konzern wohl nicht komplett auf den Kopf stellen. Als Finanzchef hat er zudem den bisherigen Kurs unter Löscher stets mitgetragen. Und auch der von der Gewerkschaft so hart kritisierte Jobabbau dürfte unter dem Sanierer Kaeser eher an Fahrt zunehmen.
Gerhard Cromme bleibt – vorerst
Peter Löscher bleibt unterdessen nicht viel mehr als die Vorfreude auf einen dicken Scheck zum Abschied. Rund neun Millionen Euro wird sich der Konzern die letztlich friedliche Trennung kosten lassen. Bis Ende September bleibt der Manager Berater bei Siemens, danach übernimmt er den Vorsitz des Stiftungsrates der Siemens-Stiftung.
Ein Ende der Personaldebatten bei Siemens ist nicht in Sicht. Viele Aktionäre fordern nach Löscher den Rücktritt von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Der will davon aber nichts wissen und seinen Vertrag bis 2018 erfüllen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)