Leichtathletik: Der Sprung aus dem Dopingschatten

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Nach Dopingfällen prominenter Sprinter steht die Leichtathletik-WM in Moskau unter Beobachtung, die Sportpolitik hadert. Österreich hat mit nur zwei Startern weiterhin andere Probleme.

Tyson Gay und Asafa Powell fehlen bei der am Samstag in Moskau beginnenden Leichtathletik-WM. Beide Sprint-Superstars wurden vor knapp einem Monat des Dopings überführt und lösten damit einmal mehr eine weltweite Debatte über Doping, Missbrauch im Spitzensport, Betrug und die verlorene Glaubhaftigkeit etlicher Spitzenleistungen oder Rekorde aus. Aber nicht nur dieses Duo fehlt bei den Welttitelkämpfen im Luschniki-Stadion. Drei weitere Jamaikaner und andere Größen dieser Zunft werden bei dieser WM nicht am Start stehen.

Auf der aktuellen Liste des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF stehen 265 Namen von Athleten, die wegen Dopings suspendiert oder gesperrt sind. 265 – Leichtathletik ist doch eine Weltsportart, und diese Zahl ist verschwindend gering. Sie lässt dennoch hellhörig werden und hinterlässt einen unangenehmen Nachgeschmack. Sie beweist, dass die Dopingplage weiterhin nicht gebannt ist bzw. gebannt werden kann. Sie lässt Rückschlüsse zu, dass sehr wohl neue Präparate im Umlauf sind, welche von den Kontrolloren mit Blut- und Urintests nicht gefunden werden können. Das gleiche Prozedere gilt für den Radsport – der Kampf um die „Sauberkeit“ und die Glaubwürdigkeit geht weiter. Es mutet dennoch irritierend an, wenn hinter Siegerzeiten und Rekorden der Verweis auf die Unschuldsvermutung aufleuchtet.


Politik und Doping. Im Kampf gegen Doping gibt es keinen passenden Zeitpunkt für Veröffentlichungen oder Anprangerungen. IAAF-Präsident Lamine Diack kritisierte just im Countdown zur WM und knapp fünf Wochen vor der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2020 Istanbuls Bewerbung massiv. Das Internationale Olympische Komitee entscheidet am 7.September in Buenos Aires über den Ausrichter dieser Spiele. Neben Istanbul bewerben sich Tokio und Madrid um das größte Sportereignis der Welt.

Jetzt hat es den Anschein, als würden nicht Infrastruktur und Geld über den Ausrichter Olympischer Spiele und anderer Großereignisse mitentscheiden, sondern das bessere Anti-Doping-Programm. Anders ist Diacks Aussage kaum zu verstehen. „Die Regierung hat die Dopingproblematik nicht im Griff“, sagt er. Das würde die Erfolgsaussicht der Istanbuler Olympia-Kandidatur „ernsthaft gefährden“, erklärt der Boss des Weltverbandes. „Sie können sich nicht um Sommerspiele bewerben, wenn sie ihre Athleten nicht kontrollieren können“, stellte Diack dem Branchenportal „Inside the games“ klar.

Mehr als 30 türkische Athleten fielen 2012 mit positiven Tests auf, und die Aufarbeitung zieht sich weiterhin in die Länge und stets werden neue Fälle publik. Wegen Unregelmäßigkeiten in ihrem biologischen Pass wurde im Mai 1500-Meter-Olympiasiegerin Asli Çakir Alptekin „provisorisch“ suspendiert. Auch im Test von 100-Meter-Hürden-Europameisterin Nevin Yanit wurde eine verbotene Substanz gefunden. Weitere acht türkische Athleten sollen zudem bei den Team-Europameisterschaften im Juni in England positiv getestet worden sein. Diese Häufigkeit stößt bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) auf Unverständnis. Es habe offenkundig System – nur warum reagiert niemand?

„Nicht das Nationale Olympische Komitee der Türkei oder der Leichtathletikverband muss das Problem lösen, sondern die Regierung“, poltert Diack. Es bedürfe härterer Gesetze. Doch solange nichts geschehe, laufe die Sportart Gefahr, weiter an Stellenwert zu verlieren. Der entstandene Imageschaden nach den Fällen Gay, Powell und Campbell-Brown sei enorm, er überschatte „natürlich“ die WM in Moskau.

Es ist die fehlende Geschlossenheit zwischen Sportverbänden und der Welt-Anti-Doping-Agentur, die irritiert. Vielleicht gelingt es ja dem neuen Wada-Chef, der im November gekürt wird, eine einheitliche Vorgangsweise zu finden. Der zweimalige 400-Meter-Hürden-Olympiasieger Edwin Moses, 57, würde sich diesen Job zutrauen. Doch neben dem Amerikaner kandidieren auch IOC-Vizepräsident Craig Reedie oder Patrick Schamasch, ein ehemaliger IOC-Mediziner.


Reicher Bolt, armes Österreich. Nachdem die Liste der Absagen – eine WM nach Olympia erfreut sich selten großen Andrangs – zusehends länger wird, blickt nun alles auf Usain Bolt. Jamaikas Sprint-Superstar und Weltrekordler wird nicht umhinkommen, sehr oft zum Thema Doping Stellung zu nehmen und zu beteuern, dass er „clean“ sei. Der Olympiasieger will Gold über 100, 200 und 4 x 100 Meter gewinnen. Das wird er auch, seine größten Konkurrenten sind weg. Neue Fabelzeiten – Bolt hält die Bestzeit von 9,58 Sekunden – sind aber ausgeschlossen.

Mit ganz anderen Sorgen plagt sich Österreichs Sport. Fast genau ein Jahr nach dem „Nuller“ von London sind alle gesteckten Ziele unerreicht. Bei der Schwimm-WM waren sieben Athleten vertreten, und auch bei den Welttitelkämpfen der olympischen Kernsportart, der Leichtathletik, ist Österreichs WM-Team überschaubar. Hürdensprinterin Beate Schrott und Siebenkämpferin Ivona Dadic sagten ab. Günter Weidlinger bevorzugt den Frankfurt-Marathon, Andrea Mayr den Berglauf. Damit sind zwei Österreicher am Start: 1500-Meter-Läufer Andreas Vojta und Diskuswerfer Gerhard Mayer. Ein weiteres Armutszeugnis.

WM IN MOSKAU

Ab 10.August
messen sich im Luschniki-Stadion die besten Leichtathleten der Welt. 1974 Starter (1106 Herren, 868 Damen) aus 206 Ländern bedeuten
WM-Rekord.

Der 100-m-Sprint
ist wie immer die Königsdisziplin, nach Dopingfällen und Sperren ist es nur noch eine One-Man-Show für Weltrekordler Usain Bolt.

Verletzt
Die Liste der prominenten Absagen wird immer länger. Siebenkampf-Weltmeisterin Tatjana Tschernowa, Hochsprung-Champ Blanka Vlašić, Yohan Blake (100-m-Titelverteidiger), 800-m-Star Rudisha, Beate Schrott (Hürdensprint) etc. fehlen.

Sauberer Sport
IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe kündigte einen harten Anti-Doping-Kampf an. „Hauptaufgabe ist, einen sauberen Sport zu gewährleisten. Sicher wird der Sport nie frei von Drogen sein, aber wir nehmen es ernster denn je.“

TV
ZDF/ARD, SRF und Eurosport zeigen die WM live.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

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