Der ökonomische Blick

Nachhaltiger Konsum ist kein Allheilmittel

Der tatsächliche Nutzen von nachhaltigem Konsum bleibt häufig unklar.
Der tatsächliche Nutzen von nachhaltigem Konsum bleibt häufig unklar.Reuters / Andrew Kelly
  • Drucken
  • Kommentieren

Nützt nachhaltiger Konsum überhaupt? Ja, aber der Preismechanismus des Marktes dämpft den Nutzen.

Während der Klimawandel sich dieser Tage für die nächsten Weltrekorde aufwärmt, scheint sich auch auf der Lösungsseite etwas zu tun. Die EU arbeitet an einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für Firmen und sozial verantwortliches Investieren ist fast schon Mainstream. Aber auch an uns Konsumentinnen wurde gedacht: wir können bei Billa fleischlose Würste und vegane Aufstriche kaufen, mit dem ÖBB Nightjet nach Mailand reisen, und sogar für die Klimasünde Fliegen können wir einen (zertifizierten!) Offset-Ablassbrief kaufen. Dabei ist unklar, ob und wie viel nachhaltiger Konsum denn eigentlich bewirkt.

In einer Studie haben Botond Kőszegi und ich uns die Frage gestellt, wie viel der Gesamtkonsum eines Gutes sinkt, wenn ein einzelner Konsument weniger kauft, und ob nachhaltiger Konsum in Märkten etwas zur Lösung sozialer Probleme beitragen kann. Um es an einem Beispiel zu veranschaulichen: wenn ich ein Steak weniger kaufe, wie viele Steaks werden dann insgesamt weniger verkauft? Die Antwort scheint offensichtlich: Ein Steak weniger bedeutet ein eingespartes Steak. Diese Logik ist allerdings falsch. Denn in einer Marktwirtschaft reagiert der Preis: wenn ich ein Steak weniger kaufe, liegt es eventuell länger im Kühlregal, bis das Geschäft den Preis senkt, um es vor dem Ablaufdatum an jemanden zu verkaufen, der das Steak nicht zum höheren, ursprünglichen Preis gekauft hätte. Oder aber es läuft ab, was einem Verkaufspreis von null Euro gleichkommt. In jedem Fall wird das Steak weniger profitabel, wodurch der Supermarkt weniger Steaks einkauft und so die Nachfrage entlang der Zuliefererkette sinkt.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

Um wie viel der Gesamtverkauf sinkt, hängt davon ab, ob Angebot oder Nachfrage stärker auf eine Preissenkung reagieren - im Fachjargon, ob die Preiselastizität von Angebot oder Nachfrage stärker ist. Wenn zum Beispiel der Preis für Steaks um zehn Prozent sinkt, dann steigt die Nachfrage laut einer Studie von Norwood und Lusk (2011) um grob geschätzte 3,5 Prozent, während das Angebot um 7,5Prozent sinkt. Das bedeutet, dass im Durchschnitt tatsächlich 0,68 Steaks gespart werden. Die Tabelle zeigt Schätzungen (für die USA), wieviel der Gesamtverkauf für einzelne Güter zurückgeht, wenn ein Konsument weniger kauft. Da immer sowohl die Kunden und Produzenten auf Preissenkungen reagieren, liegt dieser Wert immer zwischen 0 und 100 Prozent. Je nach Ziel können solche Tabellen in Zukunft als Richtlinien dafür benutzt werden, wie nachhaltig ein Kauf ist. Da 1kg Steak um die 99kg CO2 verursacht, und insgesamt 0,68kg weniger Steaks verkauft werden, wenn ich meinen Konsum um 1kg reduziere, spare ich damit geschätzte 67kg CO2. Da 1kg Eier weniger als 5kg CO2 verursachen, und der Gesamtverkauf um 0,9kg pro kg zurückgeht, spart man hierbei bloß 4,5kg CO2. Aber auch der Einfluss auf Wasserverbrauch, faire Arbeitsverhältnisse, oder andere Werte lassen sich hiermit berechnen.

Dies bildet den Anfangspunkt unserer Marktanalyse, die mehrere Marktversagen aufzeigt. Da ich meinen Konsum um mehr als eine Einheit verringern muss, damit der Gesamtverkauf um eins sinkt, dämpfen Märkte inhärent nachhaltigen Konsum. Wenn ich ein Steak weniger kaufe, spare aber nur 0,68 Steaks. Wenn ich nicht fliege, spare ich nur 0,51 Flüge.

Teufelskreis verhindert nachhaltigen Konsum komplett

Noch problematischer wird es, wenn man zwischen einer nachhaltigen und einer nicht nachhaltigen Alternative wählt. In solchen Fällen kann ein Teufelskreis entstehen, der nachhaltigen Konsum komplett verhindert. Angenommen, ich wechsle zu erneuerbarem Strom und jemand anderes wechselt deshalb zu Gasstrom. In diesem Szenario unterstützt mein Wechsel tatsächlich nicht die Nutzung erneuerbarer Energien, wodurch ich meine Entscheidungen ausschließlich auf Basis des Preises treffe. Sobald Gasstrom günstiger wird als erneuerbarer Strom, wechsle ich zu Gas. Somit schließt sich der Teufelskreis, da ich dann zu der Person werde, die auf Gas umsteigt, wenn andere auf erneuerbare Energien umsteigen. Glücklicherweise kann dieser Teufelskreis nur auftreten, wenn beide Güter zum gleichen Preis angeboten werden. Da der Verkaufspreis von erneuerbarem Strom und Gasstrom jedoch nicht gleich ist, bedeutet dies, dass mein Wechsel tatsächlich die Nutzung erneuerbarer Energien unterstützt.

Nachhaltiger Konsum ist also nicht nutzlos, aber auch keineswegs ein Allheilmittel, mit dem wir durch Shoppen unsere Umwelt- und Sozialprobleme lösen können. Politische Lösungen und politisches Engagement werden weiterhin nötig sein. Da die Politik sich jedoch noch langsamer bewegt als Angebot und Nachfrage, können Sie in der Zwischenzeit ja ihren Konsum drosseln, 0,68 weniger Steaks essen oder 0,51 weniger Flüge buchen. Die Welt retten wird es nicht, verbessern aber schon.

Der Autor

Marc Kaufmann ist Assistenzprofessor für Volkswirtschaftslehre (insb. Verhaltensökonomie) an der Central European University. Er erforscht, wie soziale Werte und Selbstbilder unser Verhalten und Überzeugungen beinflussen.

Marc Kaufmann
Marc Kaufmann

Referenzen

Kaufmann, Marc, and Botond Kőszegi. „Understanding Markets with Socially Responsible Consumers“ (2023).

Hof, A.F., Dings, J.M.W., & Dijkstra, W.J. (2001). „Price sensitivity in aviation and sea shipping: A literature study“ (CE--01411227). Netherlands

Norwood, F. Bailey, and Jayson L. Lusk, „Compassion, by the Pound: The Economics of Farm Animal“, Chapter 8, Oxford University Press, 2011.

CO2 Zahlen von ‚Our World in Data‘ (https://ourworldindata.org/explorers/food-footprints)

Die Formel für die Reduktion des Gesamtverkaufs ist wie folgt: wenn EA und EN die Elastizitäten für Angebot und Nachfrage sind, dann besagt die Formel, dass für jede gekaufte Einheit insgesamt EA / (EA + EN). Für Steak beträgt es also 7,5 / (7,5 + 3,5) = 0,68.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.