Alpinismus

Tod von Höhenträger am K2: „Solidarität ist dem Egoismus gewichen“

Bei einer Tour im Juli verunglückte ein pakistanischer Höhenträger. Die Bergsteiger hätten ihm nicht geholfen, sodass er später verstarb.
Bei einer Tour im Juli verunglückte ein pakistanischer Höhenträger. Die Bergsteiger hätten ihm nicht geholfen, sodass er später verstarb.Imago / Seumelhorclick Via Www.imago-images.de
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Eine Tour mit fatalen Folgen: Nach dem Sturz eines pakistanischen Höhenträgers habe keiner der Bergsteiger geholfen, im Gegenteil. Reinhold Messner übt scharfe Kritik.

Der Tod eines Trägers am K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt, sorgt weiterhin für massive Kritik. Der Mann soll abgestürzt, aber noch am Leben gewesen sein, als nichtsdestotrotz rund 70 Alpinisten, beim Auf- und Abstieg über den leblosen Körper oder knapp daran vorbei gingen. Die Vorgänge sollen nun von einer Kommission untersucht werden. Bergsteigerikone Reinhold Messner übte im Gespräch mit der Austria Presseagentur harte Kritik: „Solidarität ist einem Egoismus gewichen.“

Der Unfall hatte sich am 27. Juli ereignet. Der 27-jährige pakistanische Höhenträger Muhammad Hassan lag in der gefürchteten Schlüsselstelle, der Flaschenhals-Traverse. Nach einem Sturz in den frühen Morgenstunden beim Montieren eines Fixseiles war der 27-Jährige offenbar zu schnell für tot erklärt worden. Rund 70 Alpinisten, darunter laut Berichten mutmaßlich auch die norwegische Extrembergsteigerin Kristin Harila und ihr Sherpa-Team, stiegen beim Auf- und Abstieg über den leblosen Körper oder gingen knapp daran vorbei. Inzwischen wurden Videos bekannt, die den Träger am Unglücksort noch am Leben zeigten.

Folgen des „Tourismus am Berg“

Für Bergsteigerlegende Messner sind die noch nicht erwiesenen Vorgänge keine Überraschung. Es handle sich um die Folgen des „Tourismus am Berg“, der den traditionellen Alpinismus, für den er sich ein Leben lang eingesetzt habe, zunehmend verdrängte. Man könne ja mittlerweile den K2 und andere höchste Berge „wie im Reisebüro buchen“ und werde anschließend „von den Sherpas auf Pisten hinaufgebracht“. Diese „Expeditionen“ hätten hunderte Teilnehmer - entsprechend herrsche auf den Bergen auch eine „Anonymität wie in der Großstadt“. „Man kennt sich nicht mehr. Es schaut jeder nur auf sich. Es gibt keine Hilfsbereitschaft und Empathie, wie es früher noch selbstverständlich war. Damals sind sogar Weltklassebergsteiger abgestiegen, wenn jemand anderer Probleme hatte, um ihm zu helfen.“

Dadurch, dass man solche Himalaya-Besteigungen mittlerweile „buchen“ könne, gehe auch das Verantwortungsgefühl komplett verloren, so der Südtiroler, der natürlich auch den K2 erklommen hatte. Wenn einem die Verantwortung von vornherein komplett abgenommen werde, wie soll er dann in solchen Situationen ein Verantwortungsgefühl für andere entwickeln, fragte Messner. Die Folge sei Empathielosigkeit. Messner betonte gleichzeitig, dass man bei solchen Berichten vorsichtig sein müsse, weil es sich oft auch um Kolportagen von Leuten handle, die solche Geschichten erfinden würden, weil sie den Gipfel nicht erreicht hätten. Aber in dem Fall scheine es aufgrund mehrfacher Schilderungen wohl zu stimmen.

„Es ist bedauerlich, dass niemand anhielt, um dem sterbenden Mann zu helfen“, sagte unterdessen Abu Zafar Sadiq, Präsident des pakistanischen Alpinclubs, der Nachrichtenagentur dpa. Mehrere Lawinen seien am Unglückstag an einem Engpass am K2 ausgelöst worden, der schwierigsten und tödlichsten Stelle vor dem Gipfel. „Einige der Bergsteiger wurden von den Lawinen getroffen, aber zum Glück wurde niemand mitgerissen“, sagte Sadiq weiter. „Wie auch immer die Umstände waren, jemand hätte dem armen Kerl helfen müssen.“

„Es hätte nur drei, vier Leute gebraucht“

Der Standard“ hatte zuvor vom Tiroler Bergsteiger Wilhelm Steindl und einem deutschen Kameramann berichtet, die am Tag des Unglücks am K2 waren. Von dem Vorfall bekamen sie demnach zunächst nichts mit. Auf einer Drohnenaufnahme sollen sie dann den im Sterben liegenden Träger Hassan gesichtet haben, als sie bereits ins Basislager zurückgekehrt waren. „Er ist dort elendig verreckt. Es hätte nur drei, vier Leute gebraucht, ihn runterzubringen“, erklärte der Bergsteiger.

Steindl räumte gegenüber der dpa ein, dass die vorbeigehenden Alpinisten möglicherweise einen „Tunnelblick“ gehabt hätten. Er könne nicht einschätzen, wie diese die Situation wahrgenommen hätten. Ein Bergsteiger habe den am Seil hängenden Träger in die Spur zurückgehievt. „Er wurde kritisiert, dass er einen Stau produziere“, meinte Steindl und fügte hinzu: „Für einen zahlenden Kunden aus dem Westen wäre auf alle Fälle eine Rettungsaktion gestartet worden“. (APA)

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