Astrophysik

Wo Sterne und Planeten neu geboren werden

Das Zentrum der Milchstraße wird nach jungen Sternen durchforstet. Bild aus Daten der Hubble- und Spitzer-Weltraumteleskope.
Das Zentrum der Milchstraße wird nach jungen Sternen durchforstet. Bild aus Daten der Hubble- und Spitzer-Weltraumteleskope.webbtelescope.org
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Wer wissen will, wie unser Sonnensystem und die Erde entstanden sind, muss tief ins Weltall blicken. Aktuell liefert das James-Webb-Weltraumteleskop täglich Bilder aus dem Zentrum der Milchstraße.

„Ich schaue so gern in den Nachthimmel“, sagt Nadeen B. Sabha. Vor zwei Wochen war sie noch in La Palma auf den Kanarischen Inseln bei Himmelsbeobachtungen mit Studierenden der Uni Innsbruck: „Dort war der Sternenhimmel einfach toll. Es ist rundherum viel dunkler als bei uns, da konnte man mehr sehen.“

Obwohl der Perseidenschauer Ende Juli noch nicht auf dem Höhepunkt war, gab es zahlreiche Sternschnuppen für die Astrophysikerin und ihre Leute. Jetzt rund um den 12. August erreicht das jährliche Phänomen sein Maximum mit 20 bis 40 Sternschnuppen pro Stunde, die auch in Österreich gut zu sehen sind. „Manchmal schauen wir uns die Perseiden-Nächte vom Dach des Instituts der Uni Innsbruck an. Aber heuer überlege ich, mit Freunden auf einen Berg zu gehen“, berichtet Sabha, die in Jordanien Physik studiert hat und nach Stationen in Deutschland 2018 als Postdoc an die Uni Innsbruck kam.

„Eigentlich bin ich immer glücklich, wenn ich eine Sternschnuppe sehe. Es erinnert mich an meine Kindheit in Jordanien: In Akaba, gelegen zwischen Rotem Meer und Wüste, konnten wir einen viel dichteren Nachthimmel sehen als hier im Tal in Innsbruck“, erzählt die Forscherin, die schon damals alle Bücher mit Abbildungen des Universums und Weltalls verschlungen hat.

Wie jung und klein ist die Erde!

Bis heute kreisen die Gedanken beim Blick in die Sterne um essenzielle Fragen. „Wie groß ist das Universum und wie klein und jung ist unsere Erde im Vergleich? Gibt es irgendwo anderes intelligentes Leben? Werden wir noch zu meinen Lebzeiten solches entdecken?“, sinniert Sabha.

Sie ist seit vielen Jahren an der Entstehung von Sternen und Planeten interessiert. Und sie ist die einzige Forscherin in Österreich, deren Antrag für ein Projekt am James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) genehmigt wurde. „Das war viel Arbeit: Den Antrag für das Projekt, das nur mit dem JWST und sonst keinem Gerät der Welt erforscht werden kann, haben wir im November 2020 eingereicht. Im März 2021 hat mich die Zusage in einem E-Mail erreicht. Von 1084 Vorschlägen sind nur 266 angenommen worden.“

Es gibt zwar Forschende in Wien und Graz, die an internationalen Projekten beteiligt sind und Daten vom James-Webb-Weltraumteleskop nutzen, aber Nadeen Sabha ist die einzige Programmleiterin in Österreich. „Unser Team an der Uni Innsbruck ist voller Experten zur Entstehung von Sternen und Planeten. Jetzt sind wir gespannt auf die neuen Daten, die vom JWST geliefert werden. Seit 5. August ist das Zeitfenster wieder offen, in der die Laufbahn des Weltraumteleskops genau zu unserer Frage passt“, sagt Sabha.

Unwirtlich ist’s beim Schwarzen Loch

Diese lautet: Können im Zentrum unserer Milchstraßen-Galaxie neue Sterne entstehen? Beobachtungen vom Very Large Array, einem Netzwerk von Teleskopen in New Mexico, und aus der Atacama-Wüste in Chile, wo für die Europäische Südsternwarte die mit acht Metern Durchmesser größten Spiegelteleskope der Welt stehen, lassen vermuten, dass in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs (Sagittarius A*) junge Sterne „geboren“ werden. „Das ist eigentlich sehr unwahrscheinlich, weil dort unwirtliche Bedingungen herrschen“, sagt Sabha.

Die hohe Sterndichte, große Geschwindigkeitsunterschiede, hohe Temperaturen und die starke Strahlung sprechen theoretisch gegen eine Neubildung von Sternen, obwohl Auswertungen der bisherigen Daten den Anschein davon machen.

Ein Labor wie nirgendwo sonst

„Jetzt warten wir auf die Ergebnisse des JWST, um zu erkennen, ob das nur Staubansammlungen sind oder wirklich neu geborene Sterne.“ Die Astrophysik-Teams nutzen solche Daten, um Rückschlüsse auf unser eigenes Sonnensystem zu ziehen: „So versteht man, wie unsere Erde entstanden ist und wie wahrscheinlich es ist, dass sich ähnliche Sternensysteme woanders bilden können.“

Sabha richtet beim Blick in den Nachthimmel ihre Augen gern in Richtung des Zentrums unserer Galaxie: „Jetzt im Sommer sieht man es ganz tief am Horizont. Es liegt beim Sternbild Sagittarius, Schütze. Im Winter kann man das von Österreich gar nicht beobachten, weil es im südlichen Sternenhimmel zu sehen ist.“ Das galaktische Zentrum ist „eine Art Labor, das 27.000 Lichtjahre von uns entfernt ist. Dort herrschen Bedingungen, die wir auf unserer Erde nicht herstellen können.“ So können die Forschenden Theorien überprüfen und Grundlagen erforschen, bei denen das sonst nirgends möglich ist.

Die Astrophysikerin beschreibt das technische Instrument, das die neusten Infos aus dem All liefern wird: „Die Integral Field Unit von MIRI im James-Webb-Weltraumteleskop nimmt Wellen im mittleren Infrarot-Spektrum auf. So können wir erkennen, ob die von uns gefundenen Infrarot-Quellen tatsächlich junge Sterne sind oder nicht.“ Neue Sterne sind oft in Staub gehüllt und daher schwer von reinen Staubwolken zu unterscheiden.

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