Bolt: Der schnellste Mann der Welt

Bolt schnellste Mann Welt
Bolt schnellste Mann Welt(c) REUTERS (ANDREW WINNING)
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Mit den Sprints des Jamaikaners Usain Bolt feiert die Leichtathletik-WM in Moskau ihre Höhepunkte. Sein Laufstil fasziniert, die Zeiten imponieren – und trotzdem läuft der Verdacht mit.

Usain Bolt ist für einen extravaganten Auftritt immer zu haben. Der Jamaikaner liebt die Show, er verbindet Sport mit Entertainment. Bei Starts posiert er für Fotos, lässt mit flotten Sprüchen aufhorchen und seine Konkurrenz hat auf den Sprintdistanzen zumeist das Nachsehen. Ob er nun in einer Rakete im Stadion spazieren gefahren wird, in einem Rennauto sitzt oder sich hinter dunklen Sonnenbrillen versteckt, der 26-jährige Jamaikaner ist die Lichtgestalt der Leichtathletik. Zugleich ist er auch ihr größer Hoffnungsträger auf einen „sauberen Sport“.

Bolt ist eine Ikone und ein Werbestar, der der Welt bei der WM in Moskau einmal mehr glaubhaft versichern soll und muss, dass er mit Doping nichts zu tun hat und seine wunderbaren Weltrekorde und Triumphe ausschließlich der Kraft seiner Muskeln, deren Fasern („Actinen A“) und seinem aufrechten Laufstil zu verdanken sind. Bolt ist seit vier Jahren der schnellste Mann der Welt, er hält die Bestmarken über 100 Meter (9,58 Sekunden) und 200 Meter (19,19 Sekunden). Er ist der Superstar.


Sprint statt Cricket. Wer aber ist dieser sympathische, unerhört schnelle, stets gut gelaunte und so erfolgreiche Jamaikaner wirklich? Der sechsfache Olympia-Sieger bezeichnet sich selbst oft als den schlichten „Jungen vom Land“, aufgewachsen in einer kleinen, schäbigen Siedlung in Sherwood Content. Sie liegt auf halber Strecke zwischen Kingston Town und Montego Bay.

Asphalt war in seiner Kindheit ein Fremdwort, schon früh wurde die rote (Sand-)Piste für ihn der Ort des Schaulaufens. Er erfüllt aber nicht das märchenhaft anmutende Klischee, wie es afrikanische Läufer begleitet, die jeden Tag zehn Kilometer in die Schule laufen mussten. In Jamaika lieben es die Menschen trotz ihrer karibischen Ruhe doch schnell. Es gab keinen Schulbus, also nahm ein befreundeter Taxifahrer den kleinen Jungen täglich mit in die Stadt. Dort bekam er stets große Augen, zu Hause gab es weder Fernsehen noch Radio. Wellesley und Jennifer Bolt fehlte nicht nur das Geld, in ihrer abgelegenen Wohngegend gab es auch keinen Empfang.

Während sich daheim manchmal das Klischee doch erfüllte, weil der Vater härter mit ihm umgesprungen sein soll, verwirklichte sich Usain Bolt in der Schule. In der William Knibb Memorial High School wurde er entdeckt. Doch aus der erträumten Karriere im Cricket, dem Volkssport Jamaikas, wurde nichts. Zwei Leichtathletiktrainer überzeugten den Elfjährigen davon, dass er größeres Talent auf kurzen Strecken, vor allem ohne Schläger, hätte.

Es folgten sofort erstaunliche Siege im Nachwuchssektor, der groß gewachsene, schlaksige Junge verblüffte die Szene. Er brillierte bei den „Trials“ in Kingston Town, die von 40.000 Jamaikanern zelebriert werden. Er wurde Jugend- und Junioren-Weltmeister, lief 2003 seinen ersten Weltrekord: 19,93 Sekunden über 200 Meter – diese Zeit blieb bis heute für Junioren unerreicht.

Als Sechzehnjähriger hatte er schon einen Ausrüstervertrag, einen Manager, Privatlehrer und ein eigenes Leben in Kingston Town. Er liebte Partys, Reggae und schnelle Autos.

Der Rest seiner sportlichen Erfolgsgeschichte ist längst bekannt: Der 1,96 Meter große und 95 Kilogramm schwere Star gewann WM- und Olympia-Gold mit offenen Schnürsenkeln, zeigte nicht immer den letzten Einsatz und leistete sich im WM-Finale 2009 sogar eine Fehlstart-Disqualifikation. Dem Mythos der 41 Schritte – diese benötigte er für seine 100-Meter-Siege in Peking 2008, Berlin 2009 und London 2012 – tat das keinen Abbruch. Er war nicht aufzuhalten, bei einer durchschnittlichen Schrittlänge von 2,43 Meter ist die Frage nach dem Warum schnell geklärt.

In der Gegenwart ist der dreimalige Weltsportler, Ehrendoktor diverser Universitäten, sechsfache Olympia-Sieger und fünffache Weltmeister Multimillionär. Puma sicherte sich seine Posen und Auftritte, etwa im Moskauer Gorky Park, für zehn Millionen Dollar pro Jahr. „Forbes“ führt ihn im Sport-Money-Ranking 2013 vorerst nur auf dem 40. Platz mit 24 Millionen Dollar. Selbst der Superstar der Leichtathletik kommt trotz Startgeldern ab 250.000 Euro an Messi, Ronaldo oder Beckham nicht einmal annähernd heran. Daran dürfte selbst das sechste WM-Gold (Finale heute, 19.50 Uhr, ORF Sport plus) nichts ändern.

Bolt ist die Lichtgestalt einer Sportart, die in Moskau um Glaubwürdigkeit ringt und charismatische Protagonisten wie ihn braucht, um auch die Vermarktung voranzutreiben. Deshalb geht man bei ihm, für die öffentliche Wahrnehmung plakativ, auf Nummer sicher. Er sagt, dass er „nicht nur der schnellste, sondern auch der meistgetestete Athlet der Welt“ sei. Das schwierigste Rennen steht ihm und seiner Sportart aber immer noch bevor. Trotz aller Beteuerungen und Tests – nach endlosen Dopingfällen läuft ein Generalverdacht mit.

Auftaktgold an Kenia

Edna Kiplagat sicherte sich das erste Gold bei der Leichtathletik-WM in Moskau. Die Kenianerin gewann in 2:25:44 Stunden den Marathon vor Valeria Straneo (ITA) und Kavoko Fukushi (JPN).

Das heutige Highlight ist der 100-Meter-Sprint der Herren (19.50 Uhr, live auf ORF Sport+, Eurosport). Zudem stehen 20km Gehen sowie die Frauenfinali im Weitsprung (19 Uhr), Diskus (20.15h) und 10.000 Meter (21.05h) auf dem Programm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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