Streit über „Maestro“

Bedient eine Nasenprothese antisemitische Stereotype?

Jewfacing? Bradley Cooper als Leonard Bernstein, mit Carey Mulligan als Felicia Montealegre, im Film „Maestro“.
Jewfacing? Bradley Cooper als Leonard Bernstein, mit Carey Mulligan als Felicia Montealegre, im Film „Maestro“. Jason McDonald / Netflix
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Leonard Bernstein hatte „eine hübsche große Nase“, sagen seine Kinder. Bradley Cooper, der ihn im Film „Maestro“ spielt, ließ sich entsprechend seine Nase kosmetisch vergrößern. Und wird nun dafür kritisiert.

Leonard Bernsteins komplizierte Beziehung zu seiner Ehefrau und seine Homosexualität sollen eine wichtige Rolle in „Maestro“ spielen, dem Film über Bernstein, den Bradley Cooper gedreht hat und der bei den Filmfestspielen in Venedig (ab 30.8.) vorgestellt werden soll. Doch nach der Veröffentlichung des Trailers wird über ein anderes Thema debattiert: über die Nase des Dirigenten und Komponisten. Cooper, der selbst Bernstein spielt, trägt nämlich offensichtlich eine Nasenprothese. Das erregte Ärger. So schrieb die Vereinigung „StopAntisemitism“ auf X (ehemals Twitter): „Hollywood lässt Bradley Cooper – einen Nichtjuden – die jüdische Legende Leonard Bernstein spielen und hat ihm eine widerwärtig übertriebene ,jüdische Nase’ aufgesetzt.“ Auch Joel Swanson, der an der University of Chicago u.a. über „definitions of Jewishness“ forscht, meinte, man wolle so einen nichtjüdischen Schauspieler „mehr wie ein jüdisches Stereotyp“ aussehen lassen.

Gegen diese Kritik wandten sich Bernsteins Kinder Jamie, Alexandra und Nina: Sie seien „sehr berührt“ von Coopers Engagement. „Es entspricht eben der Wahrheit, dass Leonard Bernstein eine schöne, große Nase hatte. Bradley hat sich dafür entschieden, mit Make-up die Ähnlichkeit zu verstärken, und das ist für uns völlig in Ordnung.“

Trotz dieser Erklärung grassiert weiter der Vorwurf des „Jewfacing“, in Analogie zur Kritik am „Blackfacing“, der Praxis, dass sich hellhäutige Schauspieler das Gesicht schwärzen, um Dunkelhäutige darzustellen. Darüber wird ja mittlerweile vor jeder „Othello“-Aufführung debattiert, in Österreich auch zu Jahresbeginn, wenn die Heiligen Drei Könige umgehen, von denen einer früher schwarz geschminkt war. Der Ausdruck „Blackface“ entstand in den USA des 19. Jahrhunderts in „Minstrel Shows“, in denen Weiße recht klischeehaft Afroamerikaner persiflierten. „Jewface“ war eine Parallelbildung – für Aufführungen im Vaudeville-Theater, bei denen die Schauspieler jüdische Stereotypen verkörperten, mit Kaftanen, Schläfenlocken und starkem jiddischen Akzent. Zuerst waren das Nichtjuden, später spielten immer mehr Juden selbst diese Rollen – und zogen die Kritik auf sich, damit antisemitische Klischees zu fördern. Der deutsch-jüdische Komiker Oliver Polak antwortete auf ähnliche Kritik vor einigen Jahren mit dem Buchtitel „Ich darf das, ich bin Jude“.

Vorbild: die Nase des Teufels

Es würde für verständliche Irritation sorgen, wenn heute nichtjüdische Kabarettisten solche Klischees reproduzieren – mehr noch in Deutschland und Österreich, wo diese Stereotypen zur Propaganda des mörderischen NS-Regimes dienten. Eben auch die angeblich typisch jüdische Nase, die schon von Wilhelm Busch als „krumme Nas“ des Juden, der sich „zur hohen Börse schlängelt“, verspottet wurde. Woher kommt dieses antisemitische Stereotyp? Im Altertum war es noch unbekannt. Es sei im 13. Jahrhundert entstanden, erklärte die britische Kunsthistorikerin Sara Lipton, um die Juden in die Nähe von Satan zu rücken, der schon länger mit gekrümmter, schnabelförmiger Nase dargestellt wurde. Die sich von der „Adlernase“ unterschied, die als „römische Nase“ schon im Altertum dargestellt wurde und tendenziell als „edel“ gilt: Diese hat einen scharfen Knick. Weder einen solchen noch eine starke Krümmung wies jedenfalls Bernsteins Nase auf. Und auch nicht die Nase, die Bradley Cooper sich verpassen ließ.

Von Physiognomie unabhängig ist die Frage, ob überhaupt ein Nichtjude einen Juden spielen darf. Sie kam unlängst anlässlich des Films „Oppenheimer“ wieder auf, in dem der irische Katholik Cillian Murphy den deutschstämmigen Juden Robert Oppenheimer spielt. Mit ähnlichem Anspruch wird von manchen Anhängern der Identitätspolitik bezweifelt, dass Heterosexuelle Homosexuelle spielen können. Konsequent durchdacht würde diese Haltung das Theater, wie wir es kennen, unmöglich machen.

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