Konjunkturflaute

Neue Immo-Krise sucht China heim

Ausgeträumt: Viele halb fertige Häuser belasten Chinas Kommunen.
Ausgeträumt: Viele halb fertige Häuser belasten Chinas Kommunen.Sheng Li/Reuters
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Die Schieflage von Country Garden eskaliert zu einer Zeit, in der die Volks­republik ohnehin
mit einer schweren Konjunkturflaute zu kämpfen hat.

China muss sich wieder mit einer ausgewachsenen Immobilienkrise herumschlagen. Country Garden, gemessen am Umsatzvolumen jahrelang der größte Immobilienentwickler des Landes, ist insolvent. Das Unternehmen hat es verabsäumt, für zwei Dollar-Anleihen die Coupons fristgerecht zu zahlen. Zwar gibt es eine 30-tägige Kulanzfrist, was dann passiert, ist aber offen. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist es, große Mengen an Wohnungen zu geringen Margen auf den Markt zu werfen. Doch das funktioniert nur, wenn Immobilienpreise und Nachfrage stabil sind. Das ist derzeit nicht der Fall: Chinas Immobilienmarkt hat sich im Juli weiter abgeschwächt, die Preise für neue Eigenheime sind rückläufig, das Wertvolumen der verkauften Häuser erreichte den niedrigsten Stand seit fast sechs Jahren, wie jüngst veröffentlichte Daten zeigen.

Die Zahl der Wohnungsbauprojekte von Country Garden in China liegt bei über 3000 und ist damit mehr als viermal so groß wie bei Evergrande, jenem Unternehmen, das sich bislang im Epizentrum der Liquiditätskrise unter Chinas Bauträgern befand. Fast eine Million Häuser warten auf ihre Fertigstellung, wie die japanische Investmentbank Nomura schätzt. Und nun könnten die Kleinstädte, die ohnehin knapp bei Kassa sind, nicht nur mit einer Vielzahl halb fertiger Häuser zu kämpfen haben, sondern sich auch ein soziales Problem schaffen – was die Regierung in Peking zu verhindern versucht. „Bislang zielt die Unterstützung durch den Staat eher auf die Fertigstellung von Wohnungsbauprojekten ab als auf die Rückzahlung von Unternehmensschulden“, schrieben die Bloomberg-Intelligence-Analysten Andrew Chan und Daniel Fan.

Im Vorjahr stammten 62 Prozent der Einnahmen von Country Garden aus kleineren und weniger bekannten Städten, wie Dezhou im Norden und Maoming in Südchina. Gut drei Viertel des Landes, das Country Garden bereits für künftige Projekte gekauft hat, liegen ebenfalls in solchen Gegenden. Doch gerade dort sind sowohl die Immobilienverkäufe als auch die Preise der Häuser in der Konjunkturkrise während und nach der Coronakrise eingebrochen. Nach einem Rekordverlust versprach Country-Garden-Chefin Yang Huiyan, das Engagement in Kleinstädten zu drosseln – wohl zu spät. Denn zugleich wurde der Zugang zu frischem Fremdkapital teurer und schwieriger. Ende 2022 hatte Country Garden seine Schulden auf 1,15 Billionen Yuan (rund 150 Milliarden Euro) beziffert. Die Zahl dürfte seitdem weiter gestiegen sein.

Kommunen unter Druck

Bricht nun das Geschäft mit dem Immobilienentwickler weg, drohen den Städten schmerzliche Einnahmenverluste. Nach einem Bericht des Nomura-Experten Lu Ting machten Grunderwerbsteuern im Vorjahr sieben Prozent der Einnahmen der lokalen Verwaltungen aus, 24 Prozent kamen aus den Grundstücksverkäufen selbst.

Dabei schwächelt Chinas Wirtschaft ohnehin. Zuletzt hatte das Land eine Reihe enttäuschender Konjunkturdaten zum Einzelhandel sowie zur Industrieproduktion vorgelegt. Zugleich hatten die Behörden für Juli den niedrigsten Stand bei den Exporten seit 2020 gemeldet. All diese Zahlen lassen daran zweifeln, dass China sein für 2023 ohnehin niedrig angesetztes Wachstumsziel von fünf Prozent erreichen wird.

Die Entwicklung hat vor allem mit der Coronakrise zu tun. Im Vorjahr hatten die strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die chinesische Wirtschaft stark gebremst. Peking hob die Einschränkungen im Dezember zwar wieder auf, doch der erhoffte Aufschwung blieb verhalten. US-Präsident Joe Biden bezeichnete China vor einigen Tagen als „tickende Zeitbombe“. Die Volksrepublik sei „in Schwierigkeiten“, sagte er mit Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit und die alternde Bevölkerung. Chinas Außenamtssprecher kritisierte derlei Äußerungen „westlicher Politiker und Medien“.

Indes verkauften Staatsbanken wegen der Kursschwäche der Landeswährung Yuan in dieser Woche aktiv Dollar auf den Devisenmärkten, um den Yuan zu stützen, sagten Insider. Chinesische Staatsbanken handeln oft auf Geheiß der Zentralbank. Der Kursverfall ist eine Folge der Konjunkturschwäche. Auch Investoren sind vorsichtig geworden. Die Renditedifferenz zwischen zehnjährigen chinesischen Staatsbonds und US-Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit hat sich so stark ausgeweitet wie seit 16 Jahren nicht mehr.

Schattenbanken in der Krise

Auch die Probleme des kriselnden Schattenbankensystems scheinen größer als bislang gedacht. Zhong­rong International Trust, zu dessen Anteilseignern der Finanzriese Zhongzhi gehört, hat Zahlungen für mehrere Produkte verpasst. Zhongzhi verwaltet umgerechnet 138 Mrd. Dollar. Die Behörden haben eine Taskforce eingerichtet, um Ansteckungseffekte zu prüfen. Auch die Bankenaufsicht ist laut Insidern aktiv geworden. Zhongrong gehört zu den größten Akteuren in Chinas 2,9 Billionen Dollar schwerer Trustbranche, die die Ersparnisse wohlhabender Haushalte und Firmenkunden bündelt, um Kredite zu vergeben und in Immobilien, Aktien, Anleihen und Rohstoffe zu investieren. (Bloomberg/Reuters/DPA/b. l.)

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