Zum 80. Geburtstag

Streamingtipps: Robert De Niro, Schutzpatron aller Unsympathler

„Redest du mit mir?“ – Taxi Driver Travis Bickle (Robert De Niro).
„Redest du mit mir?“ – Taxi Driver Travis Bickle (Robert De Niro). Die Presse Fotos extern
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Robert De Niro spielte schon in über 100 Filmen: toxische Männer, garstige Gangster, jähzornige Väter, von psychopathisch bis allzu menschlich. Am Donnerstag wurde die New Yorker Schauspiellegende 80. Eine Werkschau.

Taxi Driver

von Martin Scorsese, 1976
Zu sehen auf Netflix

Dieser Mann taugt nicht zum guten Vorbild: So viel ist wohl jedem klar, der Martin Scorseses New-Hollywood-Kultfilm „Taxi Driver“ sieht. Ganz gleich, ob man die Sozialkritik des schummrigen Einzelgängerporträts zu goutieren versteht, kein Zuseher hat sich je gewünscht, er wäre so wie Travis Bickle, auch wenn sich manche vielleicht in dessen Grant wiedererkennen. Kein Hauch von Verklärung steckt in dieser asozialen, wütenden, traurigen, oft auch lächerlichen Figur. Trotzdem schaffte es ein junger Robert De Niro in der wohl nachhaltigsten seiner vielen Glanzrollen, seine Coolness als Schauspieler zu bewahren, diese vielleicht sogar noch zu steigern – da das Ausnahmetalent des New Yorkers darin besteht, evident uncoole Eigenschaften mit so viel mimischem Charakter aufzufetten, dass sie die Anmutung von Charisma annehmen: Hass, Ignoranz, Chauvinismus, Verbitterung, Jähzorn, Narzissmus. Obwohl De Niros Reifeprüfung als Filmschauspieler schon früher stattfand – in Filmen von Brian De Palma und John Hancock –, steckte er mit der Darstellung eines frustrierten Taxlers, der die vermeintlich verkommene Welt vor seinen Augen ganz im Alleingang geraderücken will, wenn nötig mit Gewalt, ein darstellerisches Revier ab, das ihm im Kino lang keiner streitig machen konnte.

The Irishman

von Martin Scorsese, 2019
Zu sehen auf Netflix

Noch einmal Scorsese: Da man De Niro und den nur knapp ein Jahr älteren Regiegranden nicht trennen kann, so innig sind ihre Karrieren verflochten. Schon vor „Taxi Driver“, in der ruppigen Little-Italy-Ballade „Mean Streets“, fanden sie zueinander. Die Geburtsstunde eines Dream-Teams, das neun weitere Langfilme zeitigte, darunter moderne Klassiker wie „Raging Bull“ und „Goodfellas“. Letzterer bildet zusammen mit „Casino“ und „The Irishman“ eine indirekte, epochale Mafiafilmtrilogie, die das organisierte Verbrechen als logischen und verhängnisvollen Auswuchs der US-Historie in Szene setzt, wobei De Niro in jedem Film einen anderen Typus gibt, vom abgefeimten Drahtzieher bis zum armen Narren.

Die Unbestechlichen

von Brian De Palma, 1987
Zu sehen auf Paramount+

Bei vielen der Grantscherben und Aggro-Neurotiker, die De Niro im Zuge seiner langen Laufbahn verkörpert hat, ist der Schritt zum Bösewicht nicht weit. Kein Wunder, dass er ihn hie und da auch gewagt hat. Dann konnte er so richtig die „Kulissen kauen“, wie es im Englischen heißt: faustdick auftragen, maßlos übertreiben, fiese Mienen verziehen und garstige Grimassen schneiden. Einprägsam etwa sein Kurzauftritt in Brian De Palmas Thriller „Die Unbestechlichen“, als polternder Al Capone mit Baseballschläger im Anschlag. Oder jener in „Machete“ (Sky), in dem De Niro als korrupter US-Senator um Verachtung buhlt.

Brazil

von Terry Gilliam, 1985
Zu sehen auf Mubi

Bekannt ist Robert De Niro natürlich vor allem für seine Hauptrollen, doch als Nebendarsteller ist er ebenso gern gesehen. Selbst mit Ganzkörperoverall und Bürstenschnauzer vermag er einer Randfigur Ausdruckskraft zu verleihen, wie in Terry Gilliams kultiger Bürokratie-Dystopie „Brazil“, worin er als findiger Systemverweigerer Harry Tuttle durch die Schatten huscht. Auch De Niros Oscar-Performance in „Der Pate – Teil II“ (Netflix) ist genau genommen jener von Al Pacino untergeordnet, doch darob nicht minder bemerkenswert. Gleiches gilt für Michael Manns existenzialistisches Räuber-und-Gendarm-Stück „Heat“ (Netflix). Zuletzt profitierte der „Joker“ (Amazon, Netflix) von De Niros Präsenz: Er gibt darin einen TV-Komiker, wie in Martin Scorseses „King of Comedy“ – nur ist dieser Spaßmacher erfolgreich.

Robert De Niro und Ben Stiller in „Meine Braut, ihr Vater und ich“
Robert De Niro und Ben Stiller in „Meine Braut, ihr Vater und ich“ via www.imago-images.de

Meine Braut, ihr Vater und ich

von Jay Roach, 2000
Zu sehen auf Paramount+

Zwei markante Seitenstränge hat der De-Niro-Komplex: Einer ist der komödiantische, die Kehrseite fast aller Macker-Medaillen Hollywoods, von Arnold Schwarzenegger bis Dwayne Johnson. Für wohlfeile Pointen sorgt dabei stets das Spiel mit dem Alphatier­image: So muss De Niro in „Reine Nervensache“ (Sky) als gefürchteter, gefährlicher Mafiaboss beim Psychiater sein Seelenweh ventilieren, wie bei den „Sopranos“. Nur zielt das hier nicht auf Satire, sondern auf läppische Späßchen ab. De Niros am Theater geschultes Talent fürs Chargenhafte kommt dabei dennoch zum Tragen. Subtiler gelingt die Humorisierung seiner oft unterschwellig bedrohlichen Ausstrahlung in „Meine Braut, ihr Vater und ich“, worin Ben Stiller als Bräutigam in spe um die Gunst von De Niros argwöhnischem Patriarchen ringt. Womit wir beim zweiten Strang wären: Die Vaterrolle steht dem alternden Star gut an. Bereits in seiner ersten Regiearbeit, „In den Straßen der Bronx“ (Amazon), gab er einen besorgten Papa. In „This Boy’s Life“ (Disney+, Mubi) hingegen einen gewalttätigen; den Sohn spielte Leo DiCaprio, der De Niros Scorsese-Stammplatz beerbt hat. Bald glänzen sie in Scorseses „Killers of the Flower Moon“.

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